Rz. 17
§ 367 Abs. 2 S. 1 AO verpflichtet die Finanzbehörde nach der Einlegung eines Einspruchs stets zur Überprüfung der Sache in vollem Umfang. Der Einspruch richtet sich also regelmäßig gegen den gesamten Regelungsinhalt des angefochtenen Verwaltungsakts. Zu einer inhaltlichen Beschränkung auf bestimmte Besteuerungsgrundlagen durch die Begründung des Einspruchs kommt es demgemäß grds. nicht. § 157 Abs. 2 AO bestimmt vielmehr ausdrücklich, dass die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen grds. einen mit Rechtsbehelfen nicht selbstständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids darstellt. Folglich kann der Einspruch im Normalfall auch nur vollständig zurückgenommen werden. Eine teilweise Rücknahme eines Einspruchs ist somit – mit Ausnahme der in § 362 Abs. 1a AO vorgesehenen Ausnahme – grundsätzlich nicht möglich und demgemäß wirkungslos.
Rz. 18
Die Erklärung einer "Rücknahme" des Einspruchs hinsichtlich eines oder mehrerer Streitpunkte bewirkt allenfalls, dass die Aufklärungspflicht der Finanzbehörde in sachlicher und rechtlicher Hinsicht insoweit eingeschränkt wird und hinsichtlich anderer Punkte in der Einspruchsentscheidung keine Ausführungen zu machen sind. Andererseits wird die Behörde auch nicht daran gehindert, diese Streitpunkte zu untersuchen und ihretwegen nach § 367 Abs. 2 S. 2 AO eine verbösernde Entscheidung zu treffen.
Bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch steht es dem Einspruchsführer frei, auf bisher nicht angesprochene oder fallen gelassene Streitpunkte zurückzukommen. Auch im Rahmen eines späteren Klageverfahrens kann der Stpfl. sie ohne Weiteres erstmals oder erneut geltend machen.
Rz. 19
Entgegen teilweise vertretener Auffassung kann die teilweise Rücknahme des Einspruchs gegen einen Steuerbescheid auch nicht dadurch erfolgen, dass der Einspruch beschränkt auf einen Teil des festgesetzten Steuerbetrages zurückgenommen wird. Die Beschränkung auf einen bestimmten Steuerbetrag ist nur im Klageverfahren vorgesehen, weil das Gericht nach § 96 Abs. 2 S. 1 FGO nicht über das Klagebegehren hinausgehen darf. Im Einspruchsverfahren gilt dies wegen der in § 367 Abs. 2 AO bestimmten umfassenden Prüfungspflicht der Finanzbehörde und der ausdrücklichen Möglichkeit, auch eine verbösernde Entscheidung zu treffen, gerade nicht. Eine Steuerfestsetzung kann daher nur ganz oder gar nicht mit dem Einspruch angegriffen werden. Dementsprechend ist eine Beschränkung des Einspruchs auf einen Teil des festgesetzten Steuerbetrages durch teilweise Einspruchsrücknahme unwirksam.
Rz. 20
Keine Teilrücknahme liegt vor, wenn bei Anhängigkeit mehrerer Einspruchsverfahren einzelne Einsprüche zurückgenommen werden. Das ist dann der Fall, wenn Einsprüche gegen mehrere Verwaltungsakte (objektive Einspruchshäufung) oder von mehreren Personen (subjektive Einspruchshäufung) eingelegt wurden. Eine objektive Einspruchshäufung liegt z. B. vor, wenn sämtliche in einem Sammelbescheid zusammengefassten Verwaltungsakte mit Einsprüchen angefochten wurden – z. B. bei einem Bescheid über ESt, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer. In diesen Fällen wird in der Praxis regelmäßig nur "ein Einspruch" eingelegt. Allerdings werden dadurch trotzdem mehrere selbstständige Einspruchsverfahren eingeleitet, die – auch wenn sie formlos zur gemeinsamen Bearbeitung und Entscheidung verbunden werden – ihr eigenes rechtliches Schicksal haben.
Rz. 21
In Feststellungsbescheiden können mehrere Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen zusammengefasst werden, die – unabhängig von ihrer Einordnung als eigenständiger Verwaltungsakt – getrennt angefochten und bestandskräftig werden können, soweit sie eine rechtlich selbstständige Würdigung beinhalten und eines rechtlich selbstständigen Schicksals fähig sind. Wurde der gesamte Feststellungsbescheid mit allen darin getroffenen Feststellungen mit einem Einspruch angefochten, besteht während der Anhängigkeit des Einspruchsverfahrens die Möglichkeit, den Einspruch hinsichtlich einzelner gesondert festgestellter Besteuerungsgrundlagen zurückzunehmen.
Soweit die Rücknahme des Einspruchs gegen eine gesondert festgestellte Besteuerungsgrundlage allerdings zwangsläufige Auswirkungen auch auf andere gesondert festgestellte Besteuerungsgrundlagen hätte, kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass die Rücknahme auch diese anderen Besteuerungsgrundlagen umfasst. Da mangels rechtlich selbstständigen Schicksals der Feststellung eine getrennte Bestandskraft nicht möglich ist, kann m. E. eine isolierte Rücknahme nicht in wirksamer Weise erfolgen. Die Rücknahme ist nur wirksam, wenn sie sich auf beide Feststellungen bezieht.
Rz. 22
Keine unzulässige Teilrücknahme eines Einspruchs liegt vor, wenn der Einspruchsführer von seinem Begehren absieht, eine selbstständige Nebenbestimmung eines Verwaltungsakts, also insb. eine Auflage nach § 120 Abs. 2 Nr. 4 AO oder ein Auflagenvorbehalt nach § 120 Abs. 2 Nr. 5 AO, überprüfen zu lassen. Bei diesen selbstständigen Nebenbestim...