Rz. 43

Nach § 364b Abs. 1 Nr. 3 AO kann die Finanzbehörde dem Einspruchsführer eine Frist setzen, "zur Bezeichnung von Beweismitteln oder zur Vorlage von Urkunden, soweit er dazu verpflichtet ist".

 

Rz. 44

Beweismittel sind nach der Aufzählung in § 92 Satz 2 AO insbesondere die Einholung von Auskünften jeder Art von den Beteiligten und anderen Personen, die Zuziehung von Sachverständigen, die Beiziehung von Urkunden und die Einnahme des Augenscheins.

 

Rz. 45

Urkunden sind insbesondere die in § 97 Abs. 1 Satz 1 AO genannten Bücher, Aufzeichnungen und Geschäftspapiere. Der Urkundsbegriff umfasst jedoch darüber hinaus jede in Schriftzeichen verkörperte oder auf Daten- und Bildträger festgehaltene Gedankenerklärung, die allgemein oder für Eingeweihte verständlich ist, den Urheber erkennen lässt und zum Beweis eines rechtlich erheblichen Sachverhalts geeignet ist.[1] Obwohl auch die Urkunde ein Beweismittel ist, wird sie von § 364b Abs. 1 Nr. 3 AO gesondert genannt, weil für sie – anders als für die übrigen Beweismittel – eine Frist nicht nur zur Bezeichnung, sondern auch zur Vorlage gesetzt werden kann.

 

Rz. 46

Es muss sich um unbekannte Urkunden handeln, die der Finanzbehörde noch nicht vorliegen.[2] Zur Vorlage von Urkunden, die sich bereits in den Akten befinden, kann nicht unter Setzen einer Ausschlussfrist aufgefordert werden.

 

Rz. 47

Wie bereits dargestellt, haben zahlreiche Stimmen in der Literatur Bedenken, ob nach § 364b Abs. 1 Nr. 1 AO eine Frist für die Abgabe von Steuererklärungen gesetzt werden kann. Überwiegend gehen diese Stimmen aber davon aus, dass eine entsprechende Fristsetzung möglich ist, weil sie die Steuererklärung als Urkunde ansehen (s. Rz. 30). Zu Recht wird aber die Frage aufgeworfen, inwieweit die Steuererklärung "zum Beweis eines rechtlich erheblichen Sachverhalts geeignet ist", denn in der Steuererklärung gibt der Stpfl. die für seine Besteuerung rechtlich erheblichen Sachverhalte an, einen Beweis dieser Sachverhalte erbringt er damit aber nicht.[3] Dennoch gehen auch der BFH und der BGH – in anderen Zusammenhängen – implizit davon aus, dass es sich bei Steuererklärungen um Urkunden handelt[4], sodass die Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht nur nach § 364b Abs. 1 Nr. 1 AO mit einer Fristsetzung verbunden werden kann, sondern diese auch nach § 364b Abs. 1 Nr. 3 AO möglich sein dürfte.

 

Rz. 48

Die von § 364b Abs. 1 Nr. 3 AO erforderte Pflicht ("soweit er dazu verpflichtet ist") bezieht sich – wie in § 79b FGO – nur auf die Vorlage von Urkunden, nicht auch auf die Bezeichnung der Beweismittel.[5] Eine Verpflichtung zur Vorlage von Urkunden ergibt sich insbesondere aus § 97 AO, wonach die Beteiligten der Finanzbehörde auf Verlangen Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen haben.

Die Pflicht zur Urkundenvorlage kann sich auch aus dem materiellen Steuerrecht ergeben (z. B. für Bewirtungsbelege nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG oder für Zuwendungsbestätigungen nach § 50 EStDV). In diesen Fällen ist vor der Aufforderung zur Vorlage nach § 364b Abs. 1 Nr. 2 AO kein weiteres Vorlageverlangen erforderlich.

Rz. 49–51 einstweilen frei

[1] S. dazu mit weiteren Beispielen Schmitz, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 97 AO Rz. 4.
[2] Bartone, in Gosch, AO/FGO, § 364b AO Rz. 56.
[3] Niedersächsisches FG v. 27.2.1997, X 128/96, EFG 1997, 939; Szymczak, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 364b Rz. 5; Lieber, Präklusion im Steuerverfahren, 1997, 89.
[4] BFH v. 14.1.1998, X R 84/95, BFHE 185, 111, BStBl II 1999, 203; BGH v. 27.11.1991, XII ZB 102/91, NJW-RR 1992, 322; BGH v. 15.12.1965, VIII ZR 306/63, BB 1966, 99.
[5] I. E. ebenso Koenig/Cöster, AO, 4. Aufl. 2021, § 364b Rz. 13.

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