1 Allgemeines
1.1 Überblick und Zweck
Rz. 1
§ 366 AO enthält Bestimmungen zu Form, Inhalt und Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung. Danach ist die Entscheidung über den Einspruch zu begründen, mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen und den Beteiligten schriftlich oder elektronisch zu erteilen.
Rz. 2
Die Einspruchsentscheidung ist ein selbstständiger Verwaltungsakt, für den über § 365 Abs. 1 AO grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften für den Erlass von Verwaltungsakten gelten. § 366 AO enthält jedoch hinsichtlich Form, Inhalt und Bekanntgabe Sonderregelungen für die Einspruchsentscheidung, die diesen allgemeinen Bestimmungen vorgehen.
So ist die Einspruchsentscheidung zwingend zu begründen. Die Begründung ist – neben ihrem Tenor – der Kern der Einspruchsentscheidung. Der Einspruchsführer, der sich durch einen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt fühlt und ihn daher mit einem Einspruch angefochten hat, soll durch die Einspruchsentscheidung über die tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Überlegungen der Finanzbehörde in Kenntnis gesetzt und dadurch in die Lage versetzt werden, über die Sinnhaftigkeit einer finanzgerichtlichen Klage zu entscheiden. Gleichzeitig wird die Finanzbehörde gezwungen, in der Einspruchsentscheidung die Rechtmäßigkeit ihres Handelns eingehend zu überprüfen. Die Einspruchsentscheidung dient damit nicht nur der Rechtsschutzgewährung des Stpfl., sondern auch der Entlastung der FG und der Selbstkontrolle der Verwaltung.
Da ein abgeschlossenes Vorverfahren nach § 44 FGO Voraussetzung für die Zulässigkeit einer finanzgerichtlichen Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ist, muss eindeutig feststehen, ob und mit welchem Inhalt ein Einspruchsverfahren beendet worden ist. Dies wird nur durch eine schriftliche oder elektronische, nicht aber eine mündliche Erteilung der Einspruchsentscheidung sichergestellt.
1.2 Rechtsentwicklung
Rz. 3
Die Reichsabgabenordnung regelte die Bekanntgabe von Entscheidungen über die Rechtsbehelfe Einspruch und Beschwerde in § 247 RAO und sah keine förmliche Zustellung der Rechtsbehelfsentscheidung vor.
In der AO 1977 wurde die Vorschrift durch § 366 AO ersetzt, wonach die Entscheidung über den Rechtsbehelf schriftlich abzufassen, zu begründen, mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen und den Beteiligten zuzustellen war.
Mit dem Steueränderungsgesetz 1992 wurde die Zustellungsverpflichtung wieder beseitigt, um das Rechtsbehelfsverfahren, das sich nach den Feststellungen des Gesetzgebers zum Massenverfahren entwickelt hatte, von kostenintensiven Formalismen zu entlasten. Ausreichend war nunmehr die Bekanntgabe der Rechtsbehelfsentscheidung an die Beteiligten, für die die entsprechende Anwendung des § 122 AO angeordnet wurde.
Durch das Grenzpendlergesetz wurde § 366 AO mit Wirkung ab dem 1.1.1996 redaktionell an die Abschaffung der Beschwerde als außergerichtlichem Rechtsbehelf angepasst und seine Anordnung auf die Einspruchsentscheidung beschränkt.
Das Dritte Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften ersetzte die Formulierung "schriftlich abzufassen" mit Wirkung ab 28.8.2002 durch die Formulierung "schriftlich zu erteilen", um klarzustellen, dass sich das Schriftformerfordernis nicht auf das bei der Finanzbehörde verbleibende Aktenexemplar der Einspruchsentscheidung bezieht. Der Verweis auf § 122 AO wurde als entbehrlich angesehen und gestrichen.
Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens wurde die Möglichkeit ergänzt, ab dem 1.1.2017 die Einspruchsentscheidung auch elektronisch erteilen zu können.
Durch das Jahressteuergesetz 2020 wurde mit Satz 2 eine Regelung in die Vorschrift eingefügt, mit der die Bekanntgabe von Einspruchsentscheidungen bei Publikumsgesellschaften mit einer Vielzahl von Beteiligten vereinfacht wird.
2 Inhalt der Einspruchsentscheidung
2.1 Allgemeines
Rz. 4
Der Inhalt der Einspruchsentscheidung ist – wie generell bei Verwaltungsakten – soweit erforderlich der Auslegung fähig. Diese erfolgt nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB nicht nur unter Berücksichtigung seines Wortlauts, sondern unter Würdigung seines gesamten Inhalts und der Gesamtumstände. Dabei ist entscheidend, wie der Adressat selbst nach den ihm bekannten Umständen – seinem "objektiven Verständnishorizont" – den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ver...