Dr. Karsten Webel, Dr. Wolfgang Dumke †
9.3.3.1 Grundlagen
Rz. 221
Wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Strafzumessung, um die schuldangemessene Strafe (s. Rz. 196) zu finden, ist die Höhe des Steuerschadens. Das gilt nicht nur für die Strafrahmenwahl bei einer Steuerhinterziehung in großem Ausmaß, sondern auch für die konkrete Strafzumessung in dem jeweils zugrunde gelegten Strafrahmen des § 370 AO.
Bei der Annahme eines nicht unwesentlich überhöhten Steuerschadens liegt ein Rechtsfehler vor, der regelmäßig die Höhe der verhängten Strafe zum Nachteil beeinflusst haben wird. Geringfügig höhere Verkürzungsbeträge sind unbeachtlich, wenn sie sich erkennbar nicht auf das Strafmaß ausgewirkt haben.
Rz. 221a
Bei einer Steuerverkürzung (s. Rz. 84) ist grundsätzlich zunächst von der Höhe des Verkürzungsbetrags (s. Rz. 86) auszugehen (wegen der versuchten Steuerhinterziehung s. Rz. 180, 214). Eingestellte Verfahrensteile (s. § 398 AO Rz. 14) können bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, wenn sie in der Hauptverhandlung festgestellt sind.
Bei der ESt-Hinterziehung durch Nichtabgabe der Steuererklärung (s. Rz. 57) ist bei der Berechnung des Verkürzungsbetrags bei Ehegatten zu deren Gunsten von der Zusammenveranlagung, also vom Splittingtarif, auszugehen.
Betriebsausgaben, die bei der Abgabe richtiger Steuererklärungen nicht gewinnmindernd zu berücksichtigen gewesen wären, dürfen bei der Ermittlung der Steuerverkürzung und auch im Rahmen der Strafzumessung nicht berücksichtigt werden.
Wegen der Darstellung der Berechnung in den Urteilsgründen s. Rz. 93.
Rz. 221b
Für die Strafzumessung ist ein Unterschied zwischen der verkürzten Steuer und dem letztlich verbleibenden Steuerschaden zwingend zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen sind auch Steuerzahlungen durch Dritte, die den Gesamtschaden wirtschaftlich mindern.
Hier ist nach den Auswirkungen der Tat (s. Rz. 214) zu unterscheiden.
9.3.3.2 Steuerhinterziehung auf Dauer
9.3.3.2.1 Allgemeines
Rz. 222
Bei der Steuerhinterziehung auf Dauer ist die Höhe des verkürzten Steuerbetrags für die Strafzumessung zu korrigieren um den durch das Kompensationsverbot (s. Rz. 110) für die Schuldfeststellung ausgeschlossenen Verkürzungsbetrag (s. Rz. 112).
Rz. 223
Bei der Strafzumessung sind zugunsten des Tatbeteiligten auch die steuerlichen Nachteile bei anderen Steuerarten zu berücksichtigen, die für die Strafbarkeit der Steuerhinterziehung ohne Bedeutung sind (s. Rz. 84). Allerdings dürfen "fiktive" Vorsteuern nicht berücksichtigt werden, wenn erfahrungsgemäß über die erbrachten Leistungen keine Rechnungen erteilt werden, die nach § 15 UStG den Abzug der Vorsteuer zulassen würden.
Bei der Feststellung des Steuerschadens bei einer ESt-Hinterziehung ist die verkürzte ESt um die bei wahrheitsgemäßer Erklärung zu entrichtenden anderen Steuern, z. B. USt und GewSt, zu mindern. Dies gilt jedoch nicht, wenn erfahrungsgemäß eine Besteuerung nicht erfolgt wäre. Dies gilt auch für die KSt-Hinterziehung, die sich aus fingierten Belegen mit offenem USt-Ausweis ergibt.
Rz. 224
Für die Strafzumessung bei der LSt-Hinterziehung ist grundsätzlich auf den dem Fiskus dauerhaft entstandenen Schaden abzustellen, der sich nach den tatsächlichen Verhältnissen der Arbeitnehmer richtet, wobei es ausreichend ist, von entsprechend dem betroffenen Arbeitnehmerkreis geschätzten niedrigen Durchschnittsteuersätzen auszugehen. Die Steuerklasse VI darf für die Bemessung des Steuerschadens nicht zugrunde gelegt werden. Ein höherer Steuersatz kommt nur in Betracht, wenn der Hinterziehung eine Nettolohnvereinbarung zugrunde liegt. Eine solche ist jedoch regelmäßig nicht in der stillschweigenden oder ausdrücklichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu sehen, das Arbeitsentgelt ohne Vorlage einer LSt-Karte und ohne Abzug der LSt auszuzahlen.