2.2.2.3.1 Persönlicher Wirkungsbereich
Rz. 30
Die Anwartschaft auf Straffreiheit (Rz. 27) erlangt nach § 371 Abs. 1 AO, "wer" berichtigt, ergänzt oder nachholt. Sie entsteht also nur für die Person, die die "Selbstanzeigeerklärung" abgibt. Sind noch weitere Personen an der Tat beteiligt gewesen, wirkt die "Selbstanzeige" des handelnden Tatbeteiligten nicht zugleich für sie. Sonstige Tatbeteiligte bleiben strafbar.
2.2.2.3.2 Vertretung bei der Erklärung
Rz. 31
Dies bedeutet aber nicht, dass der "Selbstanzeigende" die Erklärung auch selbst abgeben muss. Sie ist keine höchstpersönliche Handlung. Sie kann auch in seinem Namen erklärt werden.
Da die "Selbstanzeige" im Besteuerungsverfahren erklärt wird (Rz. 5), kann sie durch gesetzliche oder satzungsmäßige Vertreter vorgenommen werden, hierbei ist auch gem. § 80 AO die Vertretung zulässig. Mehrere Tatbeteiligte sind nicht gehindert, einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen, das strafprozessuale Verbot der Mehrfachvertretung (§ 392 AO Rz. 30) gilt nicht.
Die die Anwartschaft auf Straffreiheit nach § 371 Abs. 1 AO begründende "Selbstanzeigeerklärung" muss im Fall der Bevollmächtigung auf dem Willen des Tatbeteiligten beruhen und von ihm veranlasst sein. Der "Vertreter" muss den Willen zur Vertretung haben und dies deutlich machen. Eine "verdeckte" Stellvertretung ist nicht zulässig.
Rz. 32
Diese Voraussetzung der Anwartschaft ist demgemäß nur gegeben, wenn der Tatbeteiligte von der Erstattung der "Selbstanzeige" in seinem Namen Kenntnis hat. Die Erklärung eines Vertreters ohne Vertretungsmacht begründet die Anwartschaft für den angeblich Vertretenen nicht. Dies gilt selbst dann, wenn der angeblich Vertretene die Handlung nachträglich genehmigt. Sie löst dann zwar wirksam alle steuerrechtlichen Folgen aus (§ 80 AO Rz. 31), ist aber strafrechtlich irrelevant. Einem mit der Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten beauftragten Angehörigen der steuerberatenden Berufe ist es schon aufgrund des Mandatsverhältnisses verwehrt, eine von ihm erkannte Steuerhinterziehung seines Mandanten ohne oder gegen dessen Willen anzuzeigen, sofern er nicht selbst Tatbeteiligter der Steuerhinterziehung (§ 370 AO Rz. 11) ist. Eine gleichwohl vorgenommene Anzeige würde für seinen Mandanten keine strafrechtliche Wirkung auslösen.
Das Erfordernis der Kenntnis gilt für alle Tatbeteiligten.
Rz. 33
Diese Voraussetzung der Anwartschaft auf Straffreiheit ist demgemäß nur erfüllt, wenn der Tatbeteiligte nach Begehung der Tat ausdrücklich den Vertreter mit der Vornahme der "Selbstanzeigehandlung" beauftragt. Da § 371 Abs. 1 AO an die Form und den Inhalt der "Selbstanzeigeerklärung" außer der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung keine Anforderungen stellt (Rz. 37, 40), ist es nicht Voraussetzung, dass dieses Auftragsverhältnis bei Vornahme der "Selbstanzeigeerklärung" dargelegt wird. Die Anwartschaft auf Straffreiheit wird begründet, wenn objektiv das Auftragsverhältnis bestanden hat. Die Strafverfolgungsorgane haben den Beweis zu führen, dass eine unzulässige "verdeckte Stellvertretung" (Rz. 31) vorgelegen hat.