2.2.2.3.1 Persönlicher Wirkungsbereich
Rz. 52
Die Anwartschaft auf Straffreiheit erlangt nach § 371 Abs. 1 AO, "wer" berichtigt, ergänzt oder nachholt. Sie entsteht also nur für die Person, die die Selbstanzeigeerklärung abgibt. Sind noch weitere Personen an der Tat beteiligt gewesen, wirkt die Selbstanzeige des handelnden Tatbeteiligten nicht zugleich für sie. Weitere Tatbeteiligte bleiben somit strafbar.
Rz. 52a
Daraus ergibt sich für den Fall, dass im Rahmen einer Personengesellschaft im Hinblick auf die gemeinsam erzielten Einkünfte von mehreren Gesellschaftern vorsätzlich eine falsche Feststellungserklärung abgegeben wurde (vgl. Rz. 106), die Selbstanzeige auch von allen an der Tat Beteiligten abzugeben ist. Gibt hingegen nur ein Gesellschafter eine Selbstanzeige ab, so wird auch nur dieser Gesellschafter straflos. Insoweit kann jedoch ein Fall der Stellvertretung angenommen werden, wenn die Selbstanzeige im Hinblick auf den Kreis derjenigen, für die die Selbstanzeige abgegeben wird, nicht eindeutig formuliert ist (vgl. Rz. 53ff.).
2.2.2.3.2 Vertretung bei der Erklärung
Rz. 53
Dies bedeutet aber nicht, dass der Selbstanzeigende die Erklärung auch selbst abgeben muss. Sie ist keine höchstpersönliche Handlung.
Da die Selbstanzeige im Besteuerungsverfahren erklärt wird, kann sie – wie auch andere Erklärungen – durch gesetzliche oder satzungsmäßige Vertreter ebenso vorgenommen werden wie durch Vertreter i. S. d. § 80 AO. Mehrere Tatbeteiligte sind nicht gehindert, für die Abgabe einer Selbstanzeige einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen, da das sich aus § 146 StPO ergebende strafprozessuale Verbot der Mehrfachvertretung für das Besteuerungsverfahren nicht gilt.
Rz. 54
Insoweit sind allerdings Sinn und Zweck des § 371 AO (Rz. 8ff.) zu berücksichtigen. Die Privilegierung des Steuerstraftäters gegenüber anderen Straftätern durch die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige wird dadurch gerechtfertigt, dass der Tatbeteiligte dem Fiskus bisher verborgene Steuerquellen erschließt und darüber hinaus seine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit honoriert werden soll. Folglich ist es erforderlich, dass der Tatbeteiligte aktiv wird und die Selbstanzeige zumindest (mit-)verursacht. Folglich ist es nahezu einhellige Meinung, dass die die Anwartschaft auf Straffreiheit nach § 371 Abs. 1 AO begründende Selbstanzeigeerklärung im Fall der Bevollmächtigung auf dem Willen des Tatbeteiligten beruhen und von ihm veranlasst sein muss. Die auf eine Bevollmächtigung verzichtenden abweichenden Ansichten mögen aus Sicht der Strafverteidigung durchaus wünschenswert sein, sind jedoch mit § 371 AO nicht vereinbar.
Rz. 55
Die erteilte Vollmacht muss sich auf die Abgabe einer Selbstanzeige für eine oder mehrere bestimmte Taten beziehen, sodass sie einerseits zeitlich nach der Begehung der anzuzeigenden Tat erteilt worden sein muss und andererseits z. B. die allgemein erteilte Bevollmächtigung zur Vertretung in Steuerangelegenheiten nicht ausreicht. Die Vollmacht ist jedoch nicht formgebunden, sodass sie auch mündlich erteilt werden kann, wenn auch in der Praxis eine schriftliche Vollmacht zu empfehlen ist. Dies gilt, obwohl in der Praxis der Finanz- und Strafverfolgungsbehörden eine entsprechende Überprüfung i. d. R. unterbleibt.
Rz. 56
Der Begriff der Vertretung ist allerdings im Hinblick auf die Erstattung einer Selbstanzeige nach § 371 AO nicht streng zivilrechtsakzessorisch zu verstehen. Für die Zurechnung der Selbstanzeige reicht es aus, wenn die Abgabe einer Selbstanzeige auf dem Willen des jeweiligen Stpfl. beruht und von diesem veranlasst wurde.
Rz. 57
Diese Voraussetzung der Anwartschaft ist demgemäß nur gegeben, wenn der Tatbeteiligte von der Erstattung der Selbstanzeige in seinem Namen Kenntnis hat. Die Erklärung eines Vertreters ohne Vertretungsmacht begründet die Anwartschaft für den angeblich Vertretenen nicht. Dies gilt selbst dann, wenn der angeblich Vertretene die Handlung nachträglich genehmigt. Sie löst dann zwar wirksam alle steuerrechtlichen Folgen aus, ist aber strafrechtlich irrelevant. Da der Wille des Täters zur Abgabe der Selbstanzeige im Fall einer nachträglichen Genehmigung und seine auf die Selbstanzeige gerichtete Aktivität bei Abgabe der Selbstanzeige nicht erkennbar waren, wird eine nachträglich genehmigte Selbstanzeige auch entgegen einer weit verbreiteten Meinung nicht ex nunc wirksam.
Das Erfordernis der Kenntnis gilt für alle Tatbeteiligten.
Rz. 58 bis 65 einstweilen frei
Rz. 66
Einem mit der Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten beauftragten Angehörigen der steuerberatenden Berufe ist es schon aufgrund des Mandatsverhältnisses und der sich daraus ergebenden und durch § 203 StGB sanktionierten Pflicht zur Verschwiegenheit verwehrt, eine von ihm erkannte Steuerhinterziehung seines Mandanten ohne oder gegen dessen Willen anzuzeigen. Ist der Angehörige der steuerberatenden Berufe jedoch selbst Tatbeteiligter der Steuerhinterziehung, so dürfte er berechtigt sein, seinen eigenen Tatbeitra...