Rz. 40

Für den Inhalt der "Selbstanzeige" verlangt § 371 Abs. 1 AO die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der fehlerhaften oder unterlassenen Angaben. Es müssen also ausschließlich Angaben gemacht werden, die für die Besteuerung erheblich sind[1]. Durch die "Selbstanzeigeerklärung" soll inhaltlich die Tathandlung des § 370 Abs. 1 AO kompensiert und die daraus resultierende Steuerverkürzung bzw. der Steuervorteil nach § 370 Abs. 4 AO beseitigt werden. Unter diesem Gesichtspunkt können einerseits an den Inhalt der "Selbstanzeige" keine höheren Anforderungen gestellt werden als an die ursprünglich vorzunehmenden Mitwirkungshandlungen [2]. Andererseits erfüllen aber geringere Angaben die Anforderungen an den Inhalt der "Selbstanzeige" auch nicht (Rz. 41).

 

Rz. 40a

Ein über diese Mindestanforderungen hinausgehender Inhalt kann als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Straffreiheit nicht verlangt werden. Insbesondere ist der Erklärende nicht gehalten, seine Motive für die Vornahme der "Selbstanzeige" darzustellen (Rz. 1a, 3a)[3]. Eine Selbstbezichtigung, ein Hinweis auf die strafrechtliche Bewertung des vorherigen Fehlverhaltens, etwa durch die Verwendung des Wortes "Selbstanzeige" oder durch die Verweisung auf § 371 AO, ist nicht geboten[4]. Durch einen solchen Hinweis begründet der Erklärende nur den für die Einleitung des Steuerstrafverfahrens erforderlichen "Anfangsverdacht" (Rz. 11), indem er einräumt, dass zuvor der Straftatbestand des § 370 AO erfüllt worden ist[5]. Umgekehrt ist der Hinweis auf einen versehentlichen Fehler oder gar das Bestreiten oder Leugnen einer strafbaren Handlung unschädlich, da es nur darauf ankommt, dass die Besteuerungsgrundlagen dargestellt sind[6].

 

Rz. 41

Die Darstellung der Besteuerungsgrundlagen (Rz. 40) ist eine objektive Straffreiheitsvoraussetzung (Rz. 1a). Die Finanzbehörde oder die sonstigen Strafverfolgungsorgane können auf die Einhaltung dieser Voraussetzung nicht verzichten und nur geringere Anforderungen an den Inhalt der "Selbstanzeige" stellen (Rz. 49). Eine unvollkommene "Selbstanzeige" kann allerdings als "Geständnis" strafmildernd wirken (§ 370 AO Rz. 219), sodass letztlich auch von einer Strafverfolgung abgesehen werden könnte (Rz. 14).

 

Rz. 42

Das objektive Erfordernis der Darstellung der Besteuerungsgrundlagen bedeutet andererseits, dass der Steuerhinterzieher, der die erforderlichen Angaben nicht machen kann, sich der Strafbarkeit nicht entziehen kann. Das Unvermögen zur "Selbstanzeige", verschuldet oder nicht, wirkt vollen Umfangs zulasten des Steuerhinterziehers[7]. Auch das Verschulden des beauftragten Vertreters (Rz. 31) ist dem Anzeigenden zuzurechnen[8].

[1] Joecks, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 49, 50; Schauf, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 AO Rz. 60; Schmitz, DStR 2001, 1821 m. w. N.
[2] BGH v. 11.11.1958, 1 StR 370/58, BGHSt 12, 100.
[3] Schauf, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 AO Rz. 52.
[4] BGH v. 13.10.1992, 5 StR 253/92, wistra 1993, 66; BGH v. 13.10.1998, 5 StR 392/98, ­wistra 1999, 27; s. auch Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, § 371 AO Rz. 16e; Schauf, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 AO Rz. 51.
[5] Theil, BB 1983, 1274, 1276.
[6] Rz. 40, 41; LG Stuttgart v. 21.8.1989, 10 KLs 137/88, wistra 1990, 72; OKG Celle v. 5.11.1970, 1 Ss 152/70, DB 1971, 706; Joecks, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 67; Schauf, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 AO Rz. 52.
[7] BGH v. 14.12.1976, 1 StR 196/76, DB 1977, 1347; vgl. auch Zacharias/Rinnewitz/Spahn, DStZ 1988, 391, 393; Hoyer, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 371 AO Rz. 20; ­Joecks, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 58; Jäger, in Klein, AO, 10. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 19; Rüping, in HHSp, AO/FGO, § 371 AO Rz. 74; Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, § 371 AO Rz. 22.
[8] § 80 AO Rz. 20; vgl. Joecks, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 34.

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