Rz. 102
Der persönliche Umfang der Ausschlusswirkung bei dem Ausschlussgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2a AO ergibt sich aus der Bekanntgabe der Einleitung (Rz. 100). Die "Selbstanzeige" ist nur für den Beschuldigten ausgeschlossen, dem oder dessen Vertreter die Einleitung als verdächtigem Tatbeteiligten bekannt gegeben worden ist (Rz. 100). Die Ausschlusswirkung erstreckt sich nicht auf andere Beschuldigte bzw. Tatbeteiligte.
Rz. 103
Der sachliche Umfang der Ausschlusswirkung bei dem Ausschlussgrund des § 371 Abs. 1 Nr. 2a AO ist letztlich davon abhängig, welcher Tatbegriff dem in der Regelung verwendeten Wort "Tat" zugrunde zu legen ist.
Einerseits wird auf die materiell-rechtliche Hinterziehungstat, also auf den einzelnen Angriff auf den einzelnen Steueranspruch (§ 370 AO Rz. 2), abgestellt. Andererseits wird auf den strafprozessualen Tatbegriff nach § 264 StPO abgestellt. Bei der Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sind i. d. R. nur Teilaspekte der Tathandlung bekannt, die den Einleitungsverdacht nach § 152 Abs. 2 StPO (§ 397 AO Rz. 27) begründet haben. Nach dieser Ansicht bestimmt sich dann der Umfang der Ausschlusswirkung durch die bekannt gewordene Tathandlung (§ 370 AO Rz. 36ff.). Für alle sonstigen Tathandlungen soll die "Selbstanzeige" möglich sein. Die "Selbstanzeige" ist damit für alle einzelnen Tathandlungen und Tatteile ausgeschlossen, die mit dem die Verfahrenseinleitung begründenden Sachverhalt einen einheitlichen Lebensvorgang bilden und in einem sachlichen Zusammenhang stehen.
M. E. ist ebenso wie das Wort "Täter" (Rz. 100) auch das Wort "Tat" in § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO nicht geeignet, den Regelungsinhalt der Norm zutreffend festzuschreiben. Der Umfang der Ausschlusswirkung bestimmt sich vielmehr aus dem Sinngehalt der Regelung (Rz. 98). Der sachliche Umfang der Ausschlusswirkung richtet sich auch bei diesem Ausschlussgrund nach dem Inhalt der aufgrund der Einleitung möglichen und zu erwartenden Ermittlungen (Rz. 87), da insoweit die den Ausschlussgrund letztlich rechtfertigende Entdeckungsgefahr besteht (Rz. 63). Entscheidend ist damit die Bekanntgabe der Einleitung des Straf- bzw. Bußgeldverfahrens (Rz. 102). Der Inhalt der Bekanntgabe bestimmt für den Beschuldigten erkennbar die Steuerhinterziehung, derer er verdächtigt wird, also durch welches Tatverhalten er welche Steuerart verkürzt haben und auf welchen Besteuerungszeitraum sich die Steuerhinterziehung erstrecken soll (§ 397 AO Rz. 51; s. auch Rz. 98). Für alle Lebenssachverhalte, auf die sich die Ermittlungen nicht richten, ist die "Selbstanzeige" möglich.
Bei dieser Auffassung ist zugunsten des "Selbstanzeigenden" der Ausschlussgrund nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO sehr weit eingeschränkt. Diese Einschränkung erfordert eine klare und eindeutige Bestimmung des beabsichtigten Ermittlungsumfangs und des Inhalts der Bekanntgabe der Einleitung (§ 397 AO Rz. 51). Entspricht die Bekanntgabe nicht diesen inhaltlichen Anforderungen, so treten die Rechtswirkungen der Einleitung und insbesondere die Ausschlusswirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO nicht ein. Zweifel wirken stets zugunsten des "Selbstanzeigenden".
Rz. 104
Der einzelne Steueranspruch wird z. B. bei den Veranlagungssteuern bestimmt durch die Steuerart und den Besteuerungszeitraum. Die Ausschlusswirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO erstreckt sich z. B. bei der ESt demgemäß auf den gesamten Steueranspruch des jeweiligen Jahres, nicht nur auf die angezeigte Einkunftsart. Wird z. B. bei der ESt für ein bestimmtes Jahr wegen der unrichtigen Angaben hinsichtlich einer Einkunftsart das Strafverfahren eingeleitet, so ist bei unrichtigen und bisher unentdeckt gebliebenen Angaben hinsichtlich einer anderen Einkunftsart insoweit die "Selbstanzeige" ausgeschlossen.