2.3.7.1 Allgemeines
Rz. 247
Nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO führt die Selbstanzeigeerklärung nicht zur Straffreiheit, wenn im Zeitpunkt der Abgabe eine der – zur Selbstanzeige gebrachten "Steuerstraftaten … ganz oder z. T. bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste". Der Sperrgrund der Tatentdeckung ist somit sowohl an ein objektives – die Tatentdeckung – als auch ein subjektives Tatbestandselement – die Kenntnis oder vorwerfbare Nichtkenntnis – geknüpft.
Bei Vorliegen einer Tatentdeckung ist es für die die Straffreiheit begründende Rückkehr zur Steuerehrlichkeit zu spät. Eine gleichwohl vom Tatbeteiligten vorgenommene Aufdeckung hat nur noch die Bedeutung eines verfahrenserleichternden Geständnisses, das bei der Bemessung der Strafe mildernd zu berücksichtigen ist.
2.3.7.2 Objektive Voraussetzung
2.3.7.2.1 Tatentdeckung
Rz. 248
Die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeigeerklärung wird nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO nur dann ausgeschlossen, wenn "eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder z. T. bereits entdeckt war". Die Tatentdeckung muss mithin objektiv vorliegen. Die Entdeckungsgefahr begründet die Ausschlusswirkung nicht und auch die irrige Annahme des Selbstanzeigenden, dass die Tat entdeckt sei, hindert den Eintritt der Straffreiheit nicht.
2.3.7.2.2 Begriff der Steuerstraftat
Rz. 249
Der Begriff der Steuerstraftat i. S. v. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO entspricht nicht dem strafprozessualen Tatbegriff nach § 264 StPO. Abzustellen ist vielmehr auf die einzelne Tathandlung i. S. d. § 370 Abs. 1 AO, der Nichtabgabe bzw. der Abgabe unrichtiger Steuererklärungen, die durch den Stpfl., die Steuerart und den Besteuerungszeitraum konkretisiert wird. Damit ergibt sich insoweit die inhaltliche Übereinstimmung mit dem Ausschlussgrund nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1b AO.
2.3.7.2.3 Entdeckung
Rz. 250
Die Entdeckung der Tat ist die Wahrnehmung eines bisher unbekannten Geschehens und des diesem immanenten Unrechtsgehalts. Die Entdeckung muss sich nur auf eine der unverjährten Straftaten beziehen, für die im Rahmen des sich aus dem Vollständigkeitserfordernis des § 371 Abs. 1 AO ergebenden Berichtigungszusammenhangs eine Selbstanzeige abzugeben ist. Wann i. d. S. die Tat entdeckt ist, ist umstritten. Anlass für diesen Meinungsstreit ist die Einordnung des Begriffs der Tatentdeckung.
Rz. 251
Nach einer bisher in der Literatur vertretenen Auffassung ist der Begriff einzuordnen in das System der üblichen strafprozessualen Begriffsbestimmungen zum Tatverdacht.
Ausgangspunkt ist danach der für die Einleitung eines Strafverfahrens erforderliche Tatverdacht i. S. v. § 152 Abs. 2 StPO. Dieser sog. "Anfangsverdacht" ist gegeben, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen. Hierzu wurde teilweise die Ansicht vertreten, dass die Tatentdeckung weniger als einen Anfangsverdacht erfordere oder dass das Vorliegen eines Anfangsverdachts ausreichend sei. Diese Ansichten dürften jedoch kaum mit dem Wortsinn des Begriffs "entdecken" zu vereinbaren sein, nach dem es sich um mehr handeln dürfte, als die bloße Möglichkeit, dass eine Straftat vorliegt. Folglich dürften diese Ansichten mittlerweile überholt sein.
Rz. 252
Dementsprechend vertritt ein anderer Teil der Literatur in Übereinstimmung mit der alten Rechtsprechung die Auffassung, dass der "Anfangsverdacht" nicht für die Tatentdeckung ausreiche, und hat diesen Ausschlussgrund für die Straffreiheit enger gefasst. Hiernach ist eine Steuerstraftat nicht schon dann entdeckt, wenn Tatsachen bekannt geworden sind, die zur Einleitung von Ermittlungen Anlass geben können, sondern erst dann, wenn Anhaltspunkte bekannt sind, die bei vorläufiger Bewertung eine Verurteilung wahrscheinlich erscheinen lassen.
Die Begriffsbestimmung entspricht damit nach h. Lit. dem Inhalt des "hinreichenden Tatverdach...