2.4.3.1 Steuern
Rz. 134
Die Nachentrichtungspflicht nach § 371 Abs. 3 AO besteht nur hinsichtlich der hinterzogenen Steuern. Die Straffreiheit tritt ein, sobald die Steuern entrichtet sind (Rz. 177). Etwaige aus der Tathandlung resultierende steuerliche Nebenleistungen i. S. v. § 3 Abs. 3 AO, also ggf. Verspätungszuschläge und vornehmlich Hinterziehungszinsen, müssen nicht gezahlt werden, um die Straffreiheit zu erlangen.
Rz. 135
Die Strafverfolgungsorgane haben auch keine Rechtsgrundlage, den Eintritt der Straffreiheit von der Erfüllung anderer steuerlicher Pflichten abhängig zu machen. Die Voraussetzungen für die Straffreiheit sind – wenn auch im Hinblick auf die unterschiedlichen Rechtsmeinungen unvollkommen – gesetzlich festgelegt und stehen nicht im Belieben der Strafverfolgungsbehörden.
2.4.3.2 Hinterzogene Steuern
Rz. 136
Die Nachentrichtungspflicht (Rz. 123) nach § 371 Abs. 3 AO bezieht sich nur auf die hinterzogenen Steuern, also auf den durch die Hinterziehung bewirkten Verkürzungsbetrag. Wird im Zusammenhang mit der "Selbstanzeige" zugleich eine Steuerverkürzung aufgedeckt, auf die sich der Hinterziehungsvorsatz nicht erstreckte, die unverschuldet oder nur fahrlässig bewirkt wurde – bei Leichtfertigkeit ergibt sich die Nachentrichtungspflicht gem. § 378 Abs. 3 AO –, so muss eine Aufteilung erfolgen. Hinsichtlich des nicht hinterzogenen Betrags kommt mangels Nachentrichtungspflicht eine Fristsetzung nicht in Betracht.
Rz. 137
Die Nachentrichtungspflicht (Rz. 123) nach § 371 Abs. 3 AO besteht nach h. M. nur, soweit der "Selbstanzeigende" aus dem Verkürzungsbetrag einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil (Rz. 132, 133) erlangt hat, die Hinterziehung also zu seinen Gunsten erfolgt ist. Entspricht der Vorteil wertmäßig nicht dem gesamten Taterfolg, so hat der "Selbstanzeigende" nur einen Anteil zu entrichten.
A hinterzieht zugunsten des B, ohne dessen Wissen, 100.000 EUR USt. Hiervon unterschlägt er für sich 50.000 EUR, sodass die Nachentrichtungspflicht auch nur in dieser Höhe gegeben ist.
Rz. 138
Bei mehreren Tatbeteiligten ist die Nachentrichtungspflicht nach § 371 Abs. 3 AO dementsprechend ebenfalls nur anteilig gegeben. Straffrei wird derjenige "Selbstanzeigende", der seinen Tatbeitrag korrigiert und seinen Vorteil zurückerstattet. Unerheblich ist insoweit, dass der "Selbstanzeigende" steuerlich ggf. als Gesamtschuldner für den gesamten Verkürzungsbetrag haftet.
2.4.3.3 Fortbestand des steuerlichen Schadens
2.4.3.3.1 Abhängigkeit der Nachentrichtungspflicht vom Bestehen des steuerlichen Anspruchs
Rz. 139
Der Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO knüpft die Begründung der Nachentrichtungspflicht (Rz. 123) nur an den Eintritt des Taterfolgs. Strafrechtlich ist dies insofern konsequent, als der nachträgliche Wegfall des Taterfolgs den Strafanspruch nicht berührt. Die Nachentrichtungspflicht nach § 371 Abs. 3 AO ist aber keine zusätzliche strafrechtliche Sanktion. Die Straffreiheit wird in Aussicht gestellt, um den Anreiz zu geben, eine bisher nicht bekannte Steuerquelle zu erschließen (Rz. 3). § 371 AO bezweckt den Schadensausgleich, aber nicht eine finanzielle Mehrbelastung des Tatbeteiligten.
Rz. 140
Die Nachentrichtungspflicht (Rz. 123) nach § 371 Abs. 3 AO ist demgemäß – als ungeschriebenes gesetzliches Tatbestandsmerkmal – abhängig vom Bestehen des steuerlichen Anspruchs. Entscheidend ist hierbei der materielle Bestand des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis. Sie ist jedoch nicht abhängig – in Abweichung zur Formulierung des § 395 Abs. 3 RAO – von dessen Festsetzung im Besteuerungsverfahren durch Steuer- oder Haftungsbescheid und damit dessen steuerlicher Fälligkeit. Bei freiwilliger vorzeitiger Tilgung des Anspruchs entfällt notwendig die Nachentrichtungspflicht.
Rz. 141
Für die Frage, von welchem Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis bei der Steuerhinterziehung zugunsten Dritter auszugehen ist, ist zu unterscheiden:
- Nach der hier vertretenen Ansicht, dass der Begriffsinhalt "zu seinen Gunsten" steuerrechtlich zu bestimmen ist (Rz. 130), ist ausschließlich das Bestehen des eigentlichen, von der Tat betroffenen Steueranspruchs maßgeblich.
- Bei der von der h. M. vertretenen "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" des Begriffsinhalts (Rz. 131) ist es konsequent, auf den Bestand des gegen den Tatbeteiligten bestehenden Haftungsanspruchs abzustellen. Hierbei ist zu beachten, dass die Akzessorietät des Haftungsanspruchs nach § 191 Abs. 5 S. 2 AO bei einem Erlass des Steueranspruchs nicht gegeben ist (Rz. 175).