2.4.4.1 Grundlagen
Rz. 144
Der Nachentrichtungspflichtige hat gem. § 371 Abs. 3 AO die für ihn begründete Nachentrichtungspflicht (Rz. 123) innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist zu erfüllen. Unabhängig von der zum Rechtscharakter der Nachentrichtungspflicht vertretenen Ansicht (Rz. 147) bedarf die gesetzliche Nachentrichtungspflicht erst der inhaltlichen Konkretisierung in einer Aufforderung zur Leistungserbringung. Bevor und soweit diese Aufforderung zur Leistungserbringung durch die zuständige Stelle (Rz. 150) nicht erfolgt ist, besteht insoweit die gesetzliche Anwartschaft auf Straffreiheit (Rz. 155).
Rz. 145
An die Aufforderung zur Leistungserbringung sind – über den Wortlaut des § 371 Abs. 3 AO hinaus, der nur die Fristsetzung erwähnt – einem Leistungsgebot nach § 254 AO vergleichbare Anforderungen zu stellen. Der Nachentrichtungspflichtige muss in die Lage versetzt werden, seine Pflicht zu erfüllen, d. h., ihm muss zweifelsfrei mitgeteilt werden, welchen Betrag er für welche Steuer und welchen Besteuerungszeitraum an wen bis zu welchem Zeitpunkt zu entrichten hat.
Rz. 145a
Die Nachentrichtungspflicht beginnt mit der Bekanntgabe der Aufforderung zur Leistungserbringung (Rz. 145). Für die Fristberechnung gelten die Bestimmungen des BGB.
Rz. 146
Eine Hinweispflicht auf die strafrechtlichen Konsequenzen einer unzureichenden Erfüllung oder der Nichterfüllung besteht nach § 371 Abs. 3 AO nicht. Der Hinweis ist zwar üblich und sachgerecht, das Unterlassen eines solchen Hinweises hat aber für den Eintritt der strafrechtlichen Folgen keine Bedeutung.
2.4.4.2 Rechtsnatur der Nachentrichtungspflicht
Rz. 147
Die Rechtsnatur der aus § 371 Abs. 3 AO folgenden Nachentrichtungspflicht ist in der Lit. umstritten. Der Meinungsstreit wirkt sich vornehmlich im Rahmen der Fristsetzung (Rz. 150) aus.
Es wird einerseits die Ansicht vertreten, dass es sich in der Nachentrichtungsfrist um eine steuerliche Frist handle. Diese Ansicht hat – bei konsequenter Durchführung – den Vorteil der Rechtsklarheit. Denn es ist nur eine einheitliche Frist maßgebend. Der Stpfl. kommt nicht in die schwer verständliche Situation, dass er strafrechtlich etwas entrichten muss, was er steuerrechtlich nicht (z. B. mangels Festsetzung) oder noch nicht (z. B. bei Stundung oder Aussetzung der Vollziehung) zu leisten hat.
Rz. 148
Andererseits wird die Ansicht vertreten, dass infolge der Einordnung der Vorschrift in § 371 AO und der strafrechtlichen Auswirkungen die Nachentrichtungspflicht einen strafrechtlichen Rechtscharakter habe. Diese Ansicht überwiegt im Schrifttum eindeutig und ist von der Rspr. übernommen worden.
Rz. 149
Letzterer Ansicht ist zuzustimmen. Der staatliche Strafanspruch ist nicht absolut, so kann z. B. im Rahmen des § 153a StPO auf die Durchsetzung verzichtet werden, indem durch das Gericht dem Tatbeteiligten die Schadenswiedergutmachung auferlegt wird. An dem strafrechtlichen Charakter dieser Auflage bestehen keine Zweifel, obgleich auch zivilrechtliche Ansprüche mit diesem Inhalt bestehen. Die Nachentrichtungspflicht nach § 371 Abs. 3 AO ist inhaltlich einer solchen Auflage ähnlich, nur dass sie bereits als solche im Gesetz bestimmt ist.
2.4.4.3 Zuständigkeit für die Konkretisierung
Rz. 150
Auf der Basis der hier vertretenen Ansicht zur strafrechtlichen Rechtsnatur der Nachentrichtungspflicht (Rz. 149) ergibt sich zwangsläufig, dass die Konkretisierung der Nachentrichtungspflicht durch ein Strafverfolgungsorgan zu erfolgen hat. § 371 Abs. 3 AO ist demgemäß auch als Regelung hinsichtlich der funktionellen und sachlichen Zuständigkeit für die Nachfristsetzung anzusehen. Funktionell zuständig ist das Strafverfolgungsorgan, das nach dem jeweiligen Stand des strafrechtlichen Erkenntnisverfahrens (Vor §§ 385–408 AO Rz. 2–4) über die Fortführung der Ermittlungen bzw. über die Verurteilung zu befinden hat.
Rz. 151
Dies ist, soweit das Ermittlungsverfahren i. S. v. § 386 Abs. 2 AO selbstständig von der Finanzbehörd...