3.1 Grundlagen
3.1.1 Überblick
Rz. 179
Bezugsnorm des § 371 Abs. 4 AO ist § 153 AO (Rz. 8). Dies soll eine Fallkonstellation regeln, in der die die Strafverfolgung ausschließende Wirkung der Anzeigehandlung nicht in der Person des Anzeigeerstatters, sondern in der Person eines Dritten (Rz. 188) hinsichtlich einer speziellen Tathandlung (Rz. 189) eintritt. Damit soll erreicht werden, dass sich nicht jemand an der Berichtigung falscher Erklärungen gehindert sieht, weil er als Konsequenz seiner Handlung andere Personen der Strafverfolgung aussetzen würde.
Rz. 180
Die Vorschrift erscheint in ihrem Wortlaut vollständig missglückt. Die derzeitige Fassung ist zu eng, sodass sie praktische Bedeutung nicht erlangen kann.
3.1.2 Rechtsnatur und Wirkung
Rz. 181
§ 371 Abs. 4 AO regelt nicht wie § 371 Abs. 1 AO einen Strafaufhebungsgrund (Rz. 16), sondern schließt lediglich die Strafverfolgung aus. Ein Strafverfahren gegen den "Dritten" (Rz. 188) darf nicht eingeleitet bzw. muss eingestellt werden, es besteht ein Strafverfolgungshindernis. Sonstige strafrechtliche oder steuerliche Folgen der Tat des "Dritten" (Rz. 188) werden hiervon nicht berührt.
3.2 Voraussetzungen
3.2.1 Erstattung einer Anzeige nach § 153 AO
Rz. 182
Die erste Voraussetzung des § 371 Abs. 4 AO ist, dass der Anzeigende (Rz. 184) die in § 153 AO vorgesehene Anzeige bei der für die Besteuerung sachlich und örtlich zuständigen Finanzbehörde i. S. v. § 6 AO (Rz. 34; § 153 AO Rz. 2a) rechtzeitig und ordnungsgemäß erstattet. Aus dieser gesetzlichen Formulierung ergibt sich zunächst die Frage, was mit der in § 153 AO vorgesehenen Anzeige gemeint ist. § 153 AO kennt verschiedene Anzeigepflichten, die alle durch die Regelung des § 371 Abs. 4 AO erfasst werden. Dies sind die
- Anzeige- und Berichtigungspflicht bei fehlerhaften Steuererklärungen (§ 153 AO Rz. 2), wobei diese Korrekturpflicht nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO sicherlich der häufigste Fall sein wird (Rz. 183);
- Anzeigepflicht fehlerhafter Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern (§ 153 AO Rz. 20);
- Anzeigepflicht bei unberechtigten Steuervergünstigungen ( 153 AO Rz. 21);
- Anzeigepflicht bei bedingungswidriger Warenverwendung (§ 153 AO Rz. 31);
3.2.2 Anzeige bei fehlerhaften Steuererklärungen nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO
3.2.2.1 Anzeige und Richtigstellung
Rz. 183
§ 153 AO differenziert im Fall der Korrekturpflicht bei fehlerhaften Steuererklärungen nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO zwischen der unverzüglichen Anzeige der Fehlerhaftigkeit und der nicht notwendig gleichzeitigen Richtigstellung (§ 153 AO Rz. 2, 2b). Ausgehend vom Wortlaut des § 371 Abs. 4 AO schließt allein die Anzeige der Fehlerhaftigkeit die Strafverfolgung aus. Diese Ansicht wird zwar dem Zweck des § 371 AO nicht gerecht, eine bisher unbekannte Steuerquelle zu erschließen und die Finanzbehörde in die Lage zu versetzen, das Besteuerungsverfahren nunmehr durchzuführen (Rz. 3). Dieser Zweck könnte jedoch nur erreicht werden, wenn der Begriff "Anzeige" in § 371 Abs. 4 AO als Anzeige und Richtigstellung i. S. v. § 153 AO zu verstehen wäre. Allerdings werden durch diese Auslegung die Anforderungen an den Eintritt des Strafverfolgungshindernisses erschwert, sodass sie nicht statthaft ist (Rz. 64).
3.2.2.2 Anzeigeerstatter
Rz. 184
Aus dem Wortlaut des § 371 Abs. 4 AO folgt zunächst, dass der Anzeigeerstatter Anzeigepflichtiger i. S. v. § 153 AO sein muss, da anderenfalls zwar eine Anzeige fehlerhaften steuerlichen Verhaltens vorliegt, diese aber allenfalls als Hinweis eines nicht von dem Steuerpflichtverhältnis berührten Fremden, nicht aber als Anzeige nach § 153 AO gewertet werden kann.
Rz. 184a
Anzeigepflichtig nach § 153 AO ist in erster Linie der Steuererklärungspflichtige selbst, der die Steuererklärung ("Ursprungserklärung") fehlerhaft (§ 153 AO Rz. 10) abgegeben hat (§ 153 AO Rz. 2c). Unter diesem Gesichtspunkt vermag die Anzeige eines Steuerberaters, dass eine für seinen Mandanten abgegebene Steuererklärung nach § 153 AO zu berichtigen sei, nicht die Wirkung des § 371 Abs. 4 AO auszulösen, denn der steuerliche Berater ist nach dem Wortlaut des § 153 AO nicht anzeigepflichtig (§ 153 AO Rz. 5 m. w. N.). Auch bei Ehegatten ergibt sich keine Korrekturpflicht hinsichtlich ...