3.2.1 Allgemeines
Rz. 440
Die erste Voraussetzung des § 371 Abs. 4 AO ist, dass der Anzeigende die in § 153 AO vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsgemäß erstattet (Rz. 9). § 153 AO füllt im Hinblick auf die Anzeigepflichten § 371 Abs. 4 AO aus. § 153 AO kennt vier verschiedene Anzeigepflichten, die alle durch die Regelung des § 371 Abs. 4 AO erfasst werden. Dies sind die
- Anzeige- und Berichtigungspflicht bei fehlerhaften Steuererklärungen, wobei diese Korrekturpflicht nach § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO sicherlich der häufigste Fall sein wird
- Anzeigepflicht fehlerhafter Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern gem. § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO
- Anzeigepflicht bei unberechtigten Steuervergünstigungen gem. § 153 Abs. 2 AO sowie
- Anzeigepflicht bei bedingungswidriger Warenverwendung gem. § 153 Abs. 3 AO.
3.2.2 Anzeige bei fehlerhaften Steuererklärungen nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO
3.2.2.1 Anzeige und Richtigstellung
Rz. 441
Wird nachträglich erkannt, dass eine abgegebene Steuererklärung unrichtig oder unvollständig ist und ist es auf Grundlage dieser Erklärung zu einer Steuerverkürzung i. S. d. § 370 Abs. 4 AO gekommen oder droht diese, so muss der Anzeigepflichtige gem. § 153 Abs. 1 AO eine (steuerliche) Berichtigungserklärung abgeben, sofern die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist.
§ 153 AO differenziert im Fall der Korrekturpflicht nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO allerdings zwischen der unverzüglichen Anzeige der Fehlerhaftigkeit und der nicht notwendig gleichzeitigen Richtigstellung.
Rz. 442
Ausgehend vom Wortlaut des § 371 Abs. 4 AO schließt somit allein die rechtzeitige Anzeige der Fehlerhaftigkeit die Strafverfolgung aus, da § 153 Abs. 1 AO nicht primär auf die Ermöglichung der zutreffenden Festsetzung, sondern auf den Hinweis auf die unrichtige Erklärung abstellt. Dies führt jedoch dazu, dass trotz des Eingreifens des Verfolgungsverbotes die Finanzbehörde nicht gleichzeitig in die Lage versetzt wird, das Besteuerungsverfahren durchzuführen. Ein weitergehendes Ergebnis ließe sich nur erzielen, wenn der Begriff "Anzeige" in § 371 Abs. 4 AO als Anzeige und Richtigstellung i. S. v. § 153 AO zu verstehen wäre. Eine entsprechende Auslegung verbietet sich aufgrund des klaren Wortlautes der §§ 371 Abs. 4, 153 AO jedoch, da sie einen Verstoß gegen das aus Art. 103 Abs. 2 GG resultierende Analogieverbot darstellen würde.
3.2.2.2 Anzeigehandlung
Rz. 443
Der Anzeigepflichtige ist verpflichtet, unverzüglich die Unrichtigkeit der Erklärung anzuzeigen und in der Folge eine Richtigstellung vorzunehmen. Damit die Anzeige "unverzüglich" i. S. d. § 153 Abs. 1 AO erfolgt, muss sie nicht sofort, aber ohne schuldhaftes Zögern abgegeben werden. Folglich steht dem Stpfl. eine nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessende Prüfungs- und Überlegungsfrist zu. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem der Anzeigepflichtige positiv erkannt hat, dass keine oder eine unvollständige oder unrichtige Erklärung abgegeben wurde.
Die Richtigstellung, d. h. die inhaltliche Korrektur, muss jedoch nicht mit der Anzeige gemeinsam erfolgen und sie ist nach dem Wortlaut des § 153 Abs. 1 AO nicht fristgebunden, muss also nicht unverzüglich erfolgen.
Rz. 444
Wird die Anzeige schuldhaft nicht unverzüglich erstattet, so treten die Rechtswirkungen des § 371 Abs. 4 AO nicht ein. Wird gegen die steuerliche Anzeige- und Berichtigungspflicht vorsätzlich verstoßen, indem trotz bestehender Verpflichtung keine Anzeige abgegeben wird und kommt es dadurch zu einer Steuerverkürzung in Form der Nicht-Festsetzung der zutreffenden Steuer, so ist dies gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO als Steuerhinterziehung durch Unterlassen strafbar. Liegt hingegen Leichtfertigkeit vor, so ist § 378 AO einschlägig. Mithin hat bei schuldhaftem Zögern des Anzeigeerstatters die in der Folge abgegebene Anzeige den Charakter einer Selbstanzeige i. S. v. § 371 Abs. 1 AO bzw. § 378 Abs. 3 AO.
Rz. 445
Die Anzeige muss nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 4 AO auch ordnungsgemäß sein. Dabei handelt es sich um ein formales, nicht hingegen um ein ...