Rz. 33

Im Fall der Tateinheit (Idealkonkurrenz), wenn also durch dieselbe Handlung gleichzeitig mehrere Bußgeldvorschriften verletzt werden, wird gem. § 19 Abs. 1 OWiG entsprechend der Regelungen im Strafrecht nur eine Geldbuße festgesetzt. Die Höhe dieser Geldbuße bestimmt sich nach dem Gesetz, das die höchste Geldbuße androht, § 19 Abs. 2 OWiG.

 

Rz. 34

Die in § 20 OWiG enthaltene Regelung für Fälle der Tatmehrheit (Realkonkurrenz), wenn also die Verletzung mehrerer Bußgeldvorschriften durch mehrere Handlungen vorliegt, weicht hingegen von der in § 53 StGB getroffenen Regelung ab. Die tatmehrheitliche Verletzung von Tatbeständen führt im Ordnungswidrigkeitenrecht nicht zur Bildung einer Gesamtbuße, sondern es werden gem. § 20 OWiG mehrere gesonderte Bußen festgesetzt.

 

Rz. 35

Trifft die Ordnungswidrigkeit tateinheitlich mit einer Straftat zusammen, so wird gem. § 21 Abs. 1 OWiG nur die Strafbestimmung angewendet. Die Ahndung wegen des ordnungswidrigen Verhaltens entfällt hingegen. Gem. § 21 Abs. 1 S. 2 OWiG können lediglich neben der Strafe ordnungsrechtliche Nebenfolgen verhängt werden.

 

Rz. 36

Ausnahmsweise kommt jedoch trotz des tateinheitlichen Zusammentreffens mit einer Straftat eine Ahndung der Ordnungswidrigkeit noch infrage, wenn

  • der Bußgeldtatbestand als lex specialis gegenüber dem Straftatbestand anzusehen ist, vgl. z. B. § 372 AO[1],
  • im Bußgeldtatbestand dessen Vorrang ausdrücklich angeordnet ist, vgl. z. B. § 37 Abs. 1 S. 2 TabStG oder
  • eine Strafe wegen der Straftat nicht verhängt wird, § 21 Abs. 2 OWiG.
 

Rz. 37

Wann eine Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit gem. § 21 Abs. 2 OWiG möglich ist, ist im Einzelnen umstritten. Einigkeit besteht noch, dass dies im Falle des Eingreifens von Strafaufhebungsgründen wie z. B. einer Selbstanzeige gem. § 371 AO[2] der Fall ist. Eine Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit ist nach h. M. auch zulässig, wenn das Strafverfahren nach §§ 153, 153b oder 154 StPO eingestellt wurde.[3]  Im Falle einer Einstellung nach § 153a StPO besteht hingegen keine Möglichkeit, noch ein Bußgeld zu verhängen[4], da es sich hierbei um eine Entscheidungsfindung in einem vereinfachten Verfahren handelt und die Auflagenerfüllung zu einem Verfahrenshindernis nach § 153a Abs. 1 S. 5 StPO führt. Diese Regelung geht als Spezialregelung dem § 21 Abs. 2 OWiG vor.[5]  Dasselbe dürfte auch bei einer Einstellung nach § 398a AO gelten.[6]

 

Rz. 38

Bei Tatmehrheit zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit sind beide Normen nebeneinander anwendbar. Es wird gesondert auf Strafe und Geldbuße erkannt, wobei aber eine Ahndung beider Handlungen in einem einheitlichen Verfahren möglich, u. U. sogar erforderlich ist.[7]

[1] Vgl. § 372 AO Rz. 16; Göhler/Gürtler, OWiG, 17. Aufl. 2017, § 21 OWiG Rz. 7f.
[2] BVerfG v. 11.7.1997, 2 BvR 997/92, INF 1997, 702 mit Anm. Weyand; BayObLG v. 3.3.1980, RReg 4 St 366/79, NJW 1981, 1055.
[3] Göhler/Gürtler, OWiG, 17. Aufl. 2017, § 21 OWiG Rz. 27; Heersprink, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 377 AO Rz. 67.
[4] OLG Bamberg v. 19.1.2015, 3 Ss OWi 1500/14, BeckRS 15, 03498; OLG Karlsruhe v. 14.8.1989, 1 Ws 145/89, Justiz 1989, 28; Göhler/Gürtler, OWiG, 17. Aufl. 2017, § 21 OWiG Rz. 27; Heersprink, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 377 AO Rz. 67; a. A. Rüping, in HHSp, AO/FGO, 246. Lfg. 02/2018, § 378 AO Rz. 79; Rolletschke, in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, 109. Lfg. 10/2017, § 378 AO Rz. 44.
[5] OLG Frankfurt v. 31.3.1985, 3 Ws (B) 13/85, NJW 1985, 1850; OLG Nürnberg v. 4.1.1977, Ws 720/76, MDR 1977, 599; Meyer-Goßner, StPO, 60. Aufl. 2017, § 153a StPO Rz. 52.
[6] Ebenso Heersprink, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 377 AO Rz. 67.
[7] Göhler/Gürtler, OWiG, 17. Aufl. 2017, § 21 OWiG Rz. 31.

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