Rz. 17

Die Verletzung der sachlichen Zuständigkeitsregelungen durch die Finanzbehörde i. S. v. § 386 AO bewirkt nicht die Unwirksamkeit oder die Unverwertbarkeit der getroffenen Ermittlungsmaßnahmen.[1] Insoweit gilt die gleiche strafprozessuale Rechtslage wie für die Verletzung der Zuständigkeit durch die Staatsanwaltschaft.[2] Die entsprechenden Maßnahmen der Behörde haben für den Strafprozess nur vorbereitenden Charakter.[3]

 

Rz. 18

Die sachlich unzuständige Finanzbehörde i. S. v. § 386 AO hat das Verfahren an die zuständige Finanzbehörde i. S. v. § 386 AO[4] abzugeben. Hierdurch werden Zuständigkeitsmängel grundsätzlich geheilt.[5] Ein etwaiger Strafbefehlsantrag[6] der sachlich unzuständigen Finanzbehörde ist allerdings vom Gericht mangels Antragsbefugnis als unzulässig zu verwerfen, wenn die Finanzbehörde ihn nicht zurücknimmt.[7] Wird der Strafbefehl ohne Zurückweisung durch das Gericht erlassen, so wird seine Rechtmäßigkeit durch die Kompetenzüberschreitung der Finanzbehörde nicht berührt.[8] Die Zuständigkeitsverletzung führt nicht zur Unwirksamkeit und stellt kein zur Einstellung des Strafverfahrens führendes Verfahrenshindernis i. S. v. § 206a StPO dar.[9] Anträge auf Vornahme von Ermittlungshandlungen können nur von der Bußgeld- und Strafsachenstelle als Finanzbehörde i. S. d. § 386 Abs. 1 AO gestellt werden. Insofern sind Anträge, die von einer Steuerfahndungsstelle stammen, unwirksam und vom Gericht als unzulässig zurückzuweisen. Eine solche unwirksame Prozesshandlung setzt sich in einer gerichtlichen Entscheidung fort, in der dieser Fehler nicht erkannt wird, macht diese Entscheidung jedoch angreifbar.[10] Nimmt die sachlich unzuständige Finanzbehörde Prozesshandlungen durch Antragstellung beim Gericht auf Durchführung einer Ermittlungshandlung (z. B. Durchsuchung oder Beschlagnahme) vor, so führt deren Unwirksamkeit dazu, dass diese Handlung keine verjährungsunterbrechende Wirkung hat.[11] Wird dem Antrag auf Durchführung einer Ermittlungshandlung durch das Gericht jedoch stattgegeben, so führt dies zwar zur Angreifbarkeit der Entscheidung. Der entsprechend erlassene gerichtliche Beschluss und die darauf beruhenden Maßnahmen sind jedoch wirksam und führen folglich zur Verjährungsunterbrechung.[12] Maßnahmen, die auf die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens zielen, sind hingegen stets wirksam.[13]

 

Rz. 19

Der von der Maßnahme einer sachlich unzuständigen Behörde Betroffene kann gegen diese grundsätzlich Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Bei strafprozessualen Ermittlungshandlungen kommt Rechtsschutz durch Beschwerde oder Antrag nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO in Betracht.[14]

[1] Bülte, in HHSp, AO/FGO, § 387 AO Rz. 30.
[2] Seipl, in Gosch, AO/FGO, § 387 AO Rz. 27.
[3] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 387 AO Rz. 31.
[4] Klaproth, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 387 AO Rz. 11.
[5] Klein/Jäger, AO, 15. Aufl. 2020, § 387 Rz. 5.
[7] Seipl, in Gosch, AO/FGO, § 387 Rz. 27.2 m. w. N.
[8] Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 387 AO Rz. 25.
[9] Für die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Klaproth, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 391 AO Rz. 21; OLG Düsseldorf v. 19.8.1996, 1 Wg 552/96, wistra 1997, 36.
[10] Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 387 AO Rz. 65.
[11] Zanziger, in Leopold/Madle/Rader, AO-Praktikerkommentar, § 387 AO Rz. 13.
[12] Bülte, in HHSp, AO/FGO, § 387 AO Rz. 75.
[13] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 387 AO Rz. 34.
[14] Seipl, in Gosch, AO/FGO, § 387 AO Rz. 28.

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