Rz. 1

Durch die örtliche Zuständigkeit nach § 388 AO wird für das Steuerstrafverfahren bestimmt, welche der nach §§ 386, 387 AO funktionell und sachlich für die strafrechtlichen Ermittlungen zuständigen Finanzbehörden i. S. v. § 386 AO tätig zu werden hat. Die örtliche Zuständigkeit bewirkt die konkrete Ermittlungspflicht im Steuerstrafverfahren. Bei Vorliegen des die Zuständigkeit begründenden Sachverhalts hat die betroffene Finanzbehörde i. S. v. § 386 AO ihre Rechte und Pflichten im Strafverfahren wahrzunehmen, das Strafverfahren einzuleiten[1] und ggf. zu führen. Diese Rechtspflicht besteht unabhängig davon, ob die Finanzbehörde das Steuerstrafverfahren gem. § 386 Abs. 2 AO selbstständig führt oder in der Rechtsstellung eines Ermittlungsorgans der Staatsanwaltschaft tätig wird.[2]

Nach § 410 Abs. 1 Nr. 1 AO gilt die Zuständigkeitsregelung des § 388 AO auch für das Bußgeldverfahren wegen Steuerordnungswidrigkeiten.

 

Rz. 2

Die örtliche Zuständigkeit bedeutet nicht, dass die jeweilige Finanzbehörde i. S. v. § 386 AO nur auf Ermittlungshandlungen in ihrem Bezirk beschränkt, sondern zu Ermittlungen im gesamten Bundesgebiet befugt ist.[3] Insoweit gilt nach § 385 Abs. 1 AO die Regelung des § 20 StPO entsprechend, wonach Ermittlungshandlungen nicht wegen der fehlenden örtlichen Zuständigkeit unwirksam sind.[4] Auch die örtlich unzuständige Finanzbehörde hat entsprechend § 29 StPO[5] alle Ermittlungshandlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten, wenn in ihrem Zuständigkeitsbereich dringender Anlass für die Vornahme einer Amtshandlung besteht, die keinen Aufschub zulässt.[6] In diesem Fall setzt die die Amtshandlung vornehmende Behörde unverzüglich nach Vornahme der Handlung die eigentlich zuständige Behörde davon in Kenntnis.[7]

Die örtlich unzuständige Finanzbehörde i. S. v. § 386 AO hat aber im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren bzw. im gerichtlichen Verfahren keine Beteiligungsrechte. Handelt die örtlich unzuständige Behörde, so führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Maßnahme oder zur Unverwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse, sofern die Zuständigkeitsvorschriften nicht willkürlich missachtet worden sind.[8] Anders als bei der sachlichen Unzuständigkeit[9] führen Maßnahmen der örtlich unzuständigen Finanzbehörde zu einer Verjährungsunterbrechung.[10]

[2] Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 388 AO Rz. 5.
[3] S. entspr. für die Staatsanwaltschaft Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 143 GVG Rz. 1; s. für die Fahndung Klaproth, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 404 AO Rz. 9, 10; Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 388 AO Rz. 3; Seipl, in Gosch, AO/FGO, § 388 AO Rz. 5 m.  w.  N.
[4] S. auch entspr. § 125 Abs. 3 Nr. 1 AO; vgl. Bülte, in HHSp, AO/FGO, § 388 AO Rz. 65; Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 388 AO Rz. 41.
[5] S. auch inhaltlich entsprechend §§ 399 Abs. 2, 400 Abs. 1 AO.
[6] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 388 AO Rz. 29.
[8] Rolletschke, Steuerstrafrecht, 5. Aufl. 2022, Rz. 675.
[10] Bosch, in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 78c StGB Rz. 3.

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