Rz. 176

Liegt eine Regelungslücke vor, ist diese in einer dem Gesetzeszweck, der Entstehungsgeschichte und des Gesetzessystematik entsprechenden Weise zu schließen.[1] Methodisch kann die Schließung von Regelungslücken insbesondere durch Analogie oder teleologische Reduktion bzw. Extension erfolgen. Nur in seltenen Fällen dürfte eine Lückenausfüllung auch durch Umkehrschluss, Schlüsse vom Mehr auf das Weniger (argumentum a maiore ad minus) und vom Weniger auf das Mehr (argumentum a minore ad maius) in Betracht kommen.[2]

 

Rz. 177

Die Lückenschließung durch Analogie ist die Ausdehnung der dem Gesetz zu entnehmenden Prinzipien auf Fälle, die von den im Gesetz entschiedenen Fällen nur unwesentlich abweichen.[3] Damit wird eine Vorschrift mit ihren Rechtsfolgen (Gesetzesanalogie) oder den in mehreren Normen zum Ausdruck gekommenen Rechtssatz (Rechtsanalogie) auf den planwidrig nicht geregelten Lebenssachverhalt entsprechend angewendet. Die Methode der Analogie entspricht verfassungsrechtlichen Anforderungen, weil und soweit sie aus den Wertungen des Gesetzes entnommen wird.[4] Das aus Art. 103 Abs. 2 GG abgeleitete Analogieverbot im Strafrecht kann nicht auf das Steuerrecht übertragen werden.[5]

 

Rz. 178

Die Ausfüllung einer vorhandenen offenen Lücke erfolgt meist durch Analogieschluss. Ebenfalls zulässig ist daher auch die sog. zweischneidige Analogie, die zuungunsten des einen Stpfl. und zugunsten des anderen Stpfl. wirkt.

[2] Dazu z. B. Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO Rz. 365 ff.
[5] BVerfG v. 24.7.1957, 1 BvL 23/52, BVerfGE 7, 89; Klein/Gersch, AO, 16. Aufl. 2022, § 4 Rz. 77.

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