1.1 Inhalt der Regelung
Rz. 1
§ 40 AO bestimmt, dass die steuerlichen Folgen eines Verhaltens, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder teilweise erfüllt, unabhängig davon eintreten, ob dieses Verhalten gegen ein gesetzliches Verbot oder Gebot oder gegen die guten Sitten verstößt. Die Vorschrift wird vielfach als Ausdruck der Wertneutralität des Steuerrechts und der seine Anwendung bestimmenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise verstanden. Sie hat unter diesem Gesichtspunkt aber keine konstitutive, sondern nur deklaratorische Bedeutung. Denn die rechtliche oder sittliche Bewertung bestimmter Vorgänge ist in aller Regel nicht Merkmal der Tatbestände, an die die Einzelsteuergesetze Rechtsfolgen knüpfen. Die Bedeutung des § 40 AO beschränkt sich damit auf die Klarstellung, dass die rechtliche Erlaubtheit oder sittliche Billigung eines bestimmten Verhaltens nicht als ungeschriebenes Merkmal in die Tatbestände der Einzelsteuergesetze hineingelesen werden kann.
Die Außerachtlassung der Gesetz- oder Sittenwidrigkeit eines Verhaltens im Rahmen der Besteuerung stellt keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung dar. Aus ihm lässt sich zwar die Forderung ableiten, dass eine Teilrechtsordnung die Ziele einer anderen nicht beeinträchtigen darf. Er schließt es aber nicht aus, dass der Gesetzgeber für verschiedene Rechtsmaterien aus Gründen ihrer Eigenart jeweils unterschiedliche Maßstäbe festlegt.
1.2 Verfassungsmäßigkeit
Rz. 2
Die Regelung des § 40 AO ist verfassungsgemäß. Sie dient der Steuergerechtigkeit. Denn es wäre mit dem Grundsatz der Lastengleichheit unvereinbar, wenn illegal oder sittenwidrig erzieltes Einkommen oder Vermögen unversteuert bliebe. Der Umstand, dass die praktische Durchsetzung der Steuerpflicht in den Fällen des § 40 AO vielfach auf besondere Schwierigkeiten stößt, beruht nicht auf strukturellen Mängeln der gesetzlichen Regelungen, sondern auf mangelnder Rechtstreue der Steuerschuldner und z. T. auch auf Vollzugsdefiziten der Finanzverwaltung. Der Vermeidung von Konflikten zwischen der auch in Fällen strafbaren Verhaltens bestehenden steuerrechtlichen Offenbarungspflicht und der Unzumutbarkeit strafrechtlicher Selbstbelastung dienen § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. a, zweiter Halbs. AO und § 393 Abs. 2 AO Unzulänglichkeiten des sich aus ihnen ergebenden Schutzes berühren allenfalls die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen, nicht aber diejenige des § 40 AO.
1.3 Verhältnis zu § 41 AO
Rz. 3
Der Anwendungsbereich des § 40 AO geht insofern über den des § 41 Abs. 1 S. 1 AO hinaus, als er nicht auf Gesetzes- oder Sittenverstöße im Rahmen von Rechtsgeschäften beschränkt ist, sondern auch für rein tatsächliches Verhalten gilt. Andererseits ist der Anwendungsbereich des § 41 Abs. 1 S. 1 AO insofern weiter, als dieser für unwirksame Rechtsgeschäfte unabhängig davon gilt, ob die Unwirksamkeit auf einem Gesetzes- oder Sittenverstoß oder auf anderen Gründen, z. B. einem Formmangel, beruht. Nur soweit Rechtsgeschäfte wegen Gesetzes- oder Sittenverstoßes unwirksam sind, überschneiden sich die Anwendungsbereiche beider Vorschriften. Für diesen Überschneidungsbereich wird zum Teil aus Gründen der Spezialität ein Anwendungsvorrang entweder des § 40 AO oder des § 41 Abs. 1 Satz 1 AO angenommen oder von einer nicht näher definierten Normenkonkurrenz gesprochen.
U. E. sind beide Vorschriften nebeneinander anwendbar. § 41 Abs. 1 S. 1 AO macht die steuerrechtlichen Wirkungen eines bürgerlich-rechtlichen Rechtsgeschäfts davon abhängig, ob die Beteiligten sein wirtschaftliches Ergebnis eintreten und bestehen lassen. Aus § 40 AO ergibt sich, dass dies auch in den Fällen gilt, in dene...