Rz. 141
Das sog. Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren, mit dem unter der Geltung des körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens die Gewinnthesaurierung zu einem günstigeren als dem für einbehaltene Gewinne geltenden Körperschaftsteuersatz ermöglicht werden sollte, stellte grundsätzlich keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts dar. Dies galt auch dann, wenn sich die Anteilseigner einer GmbH auf eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende ("inkongruente") Gewinnausschüttung verständigten, um dadurch einem der Anteilseigner einen Verlustabzug zu ermöglichen, und der hierdurch begünstigte Anteilseigner die an ihn ausgeschütteten Gewinne seinerseits wieder inkongruent in die GmbH einlegte.
Die "Mobilisierung" von Körperschaftsteuerguthaben im Wege eines sog. Rücklagenmanagements im Zusammenhang mit dem Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren und dessen modellmäßige Verwirklichung in Teilschritten zunächst durch kreditfinanzierten Erwerb eines sog. Vorzugsgeschäftsanteils am Stammkapital einer Kapitalgesellschaft mit hohen Gewinnrücklagen zu einem über dem Nominalwert liegenden Kaufpreis und anschließender Beschlussfassung einer disquotalen, durch ein Mehrstimmrecht abgesicherten Vorabausschüttung ist nicht rechtsmissbräuchlich.
Die entgeltliche Übertragung von GmbH-Anteilen auf eine neu gegründete GmbH zwecks Verrechnung von künftig auszuschüttenden Beteiligungserträgen mit einer ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung ist dann nicht missbräuchlich i. S. des § 42 AO, wenn die Anteilsübertragung auf Dauer angelegt ist.
Rz. 142
Der Mantelkauf, d. h. der Erwerb aller oder fast aller Anteile an einer wirtschaftlich inaktiven Kapitalgesellschaft zur Ausnutzung von Verlustvorträgen, wurde vom BFH zunächst unter Berufung auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise abgelehnt, später aber im Hinblick auf die Anknüpfung der Körperschaftsteuersubjektivität an die zivilrechtliche Gesellschaftsform anerkannt. Mit der Anfügung des § 8 Abs. 4 KStG durch das StRefG 1990 wurde der Verlustabzug davon abhängig gemacht, dass die Gesellschaft, die ihn in Anspruch nimmt, wirtschaftlich mit derjenigen identisch ist, die den Verlust erlitten hat. Der mit dem UntStRefG 2008 an die Stelle des § 8 Abs. 4 KStG getretene § 8c KStG beschränkt sich nicht mehr auf eine Missbrauchsbekämpfung, sondern ordnet allein wegen des Übergangs von mehr als 25 % bzw. 50 % der Anteile an der Kapitalgesellschaft den anteiligen bzw. vollständigen Untergang der Verluste an.
Rz. 143
Über den Ausschluss des Verlustabzugs nach § 10d EStG hinaus lässt sich § 8 Abs. 4 KStG bzw. § 8c KStG keine grundsätzliche Wertentscheidung des Gesetzes entnehmen, die es im Fall einer "schädlichen" Anteilsübertragung ermöglicht, andere dort nicht angesprochene Formen der "Verlustkonservierung" über § 42 AO auszuschließen. Deshalb kann eine GmbH die Zahlung auf eine betrieblich begründete Gesellschafterforderung auch dann als Betriebsausgabe abziehen, wenn der frühere Gesellschafter gegen Besserungsschein auf die Forderung verzichtet und die Besserungsanwartschaft mit der Veräußerung des GmbH-Mantels auf einen der neuen Gesellschafter übertragen hatte und nach Verschmelzung einer anderen Gesellschaft auf die GmbH der Besserungsfall eingetreten war.
Die Abtretung von Gesellschafterforderungen im Zusammenhang mit einem sog. Mantelkauf ist nicht stets als Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO anzusehen und wie ein Forderungsverzicht zu behandeln. Dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn das Ziel der Vertragsparteien darin besteht, die Gesellschaft von einer im Falle ihrer angestrebten Gesundung drohenden Inanspruchnahme durch die ehemaligen Gesellschafter zu entlasten und ein weiterer wirtschaftlicher Grund in der realistischen Hoffnung des abtretenden Gesellschafters besteht, eine über dem Kaufpreis liegende Darlehensrückzahlung zu erhalten.
Nach der Rechtslage des Jahres 2003 blieb ein Verlustvortrag einer GmbH auch nutzbar, nachdem eine gewinnträchtige Schwestergesellschaft auf sie verschmolzen worden war. Dem stand nicht entgegen, dass die aufnehmende GmbH nach der Verschmelzung die Firma der Schwestergesellschaft übernommen und ausschließlich noch deren Geschäftsbetrieb unverändert fortgeführt hat. § 42 AO war in diesem Fall nicht einschlägig.
Die auf Liquiditätsbeschaffung gerichtete Verschmelzung einer Gewinngesellschaft auf eine Verlustgesellschaft ist nicht als Gestaltungsmissbrauch einzustufen. Der Annahme einer unangemessenen Gestaltung stehen die Existenz von § 12 Abs. 3 UmwStG und § 8c KStG entgegen.
Rz. 144
Die Verlagerung von Einkünften von einer Schwestergesellschaft auf die andere ist nicht deswegen rechtsmissbräuchlich, weil sie ausschließlich oder überwiegend dem Ziel dient, Verlustvorträge zu neutralisieren.
Die Gewährung eines zinslosen Gesellschafterdarlehens und dessen anschließende zinsbringende Verwendung durch die Gesellschaft sind nicht allein deswegen eine missbräuchliche Gestaltung, w...