Rz. 164
Die Verlagerung von Gewinnen in das niedriger besteuernde Ausland ist grundsätzlich nicht missbräuchlich. Der Stpfl. ist darin frei, seine Verhältnisse steuerlich möglichst günstig zu gestalten, auch wenn er dazu eine Gewinnverlagerung ins Ausland nutzt. Für bestimmte vom Gesetzgeber missbilligte Gestaltungen durch Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften sind in §§ 7ff. AStG Regelungen zur inländischen Besteuerung geschaffen worden.
6.8.1.1 Zwischenschaltung von Basisgesellschaften
Rz. 165
Eine Basisgesellschaft ist eine Kapitalgesellschaft im Ausland, die in einen Lieferungs-, Leistungs- oder Zahlungsweg zwischengeschaltet ist, der im Ergebnis im Inland landet. Durch die Zwischenschaltung sollen die der Besteuerung unterliegenden Gewinne statt im Inland im Sitzstaat der Basisgesellschaft anfallen. Voraussetzung hierfür ist, dass die betreffende Gesellschaft ihre Geschäftsleitung nicht im Inland hat, weil sie anderenfalls nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist. Dies ist vorrangig vor Anwendung des § 42 AO zu prüfen. Ist die Basisgesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat oder einem EWR-Vertragstaat ansässig, ist die Anwendung des § 42 AO nur unter Beachtung der Grundsätze zulässig, die der EuGH für die Zulässigkeit von Eingriffen in die Niederlassungsfreiheit und andere Grundfreiheiten aufgestellt hat. Einer solchen Gesellschaft kann die steuerliche Anerkennung nur dann versagt werden, wenn ihre Einschaltung eine rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität ermangelnde Konstruktion darstellt, deren Zweck die Erlangung eines ungerechtfertigten Steuervorteils ist.
Im Anwendungsbereich eines DBA ist vorrangig zu prüfen, ob dieses eine Sonderregelung für die Zwischenschaltung von Basisgesellschaften enthält, die § 42 AO vorgeht. In den Fällen des sog. treaty shopping, also der Einschaltung einer in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft zur Erlangung von Vorteilen aus dem Abkommen, hat auch die spezielle Missbrauchsregelung des § 50d Abs. 3 EStG Vorrang vor § 42 AO.
Rz. 166
Für einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten spricht es, wenn die Basisgesellschaft keine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet (funktionslose Zwischengesellschaft) oder wenn ein Gesellschafter im Inland erzielte Einnahmen durch diese Kapitalgesellschaft durchleitet. Zu prüfen ist, ob eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit und nicht nur eine vermögensverwaltende Tätigkeit ausgeübt wird. Eine als "Alibi-Tätigkeit" zu bewertende erwerbswirtschaftliche Tätigkeit reicht nicht aus. Für die Entfaltung einer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit genügt es nicht, dass die Basisgesellschaft sich neben dem Halten ihres Nennkapitals darauf beschränkt, mit diesem Kapital oder mit zusätzlichen Darlehensmitteln eines Gesellschafters angeschaffte Wertpapiere zu halten, auch wenn dies mit einer gewissen Verwaltungstätigkeit verbunden ist. Eine andere Beurteilung ist jedoch geboten, wenn derart beschränkte Tätigkeiten nur von vorübergehender Dauer sind und gleichzeitig vorbereitende, später auch zum Erfolg führende Maßnahmen zum Erwerb von Beteiligungen im Basisland und/oder in Drittländern durchgeführt werden.
Rz. 167
Ist die Gesellschaft eine bloße Domizilgesellschaft, hat sie also weder eigenes Personal noch eigene Geschäftsräume und Geschäftsausstattung und liegt ihre Geschäftsführung bei einem "Mehrfachgeschäftsführer", ist dies ein starkes Indiz für eine Zwischenschaltung nur formaler Art und damit für einen Gestaltungsmissbrauch. Das gilt sogar für die Durchleitung durch ein Land, das kein Niedrigbesteuerungsland ist. Die Grundsätze zur Abgrenzung des Gestaltungsmissbrauchs bei der Einschaltung von Basisgesellschaften gelten auch für beschränkt Stpfl.
Rz. 168
Ist die Zwischenschaltung der Basisgesellschaft als missbräuchlich zu beurteilen, werden die von ihr erzielten Einkünfte unmittelbar dem inländischen Gesellschafter zugerechnet. Hat der unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter einer ausländischen Domizilgesellschaft ausländische Steuern vom Einkommen gezahlt, die auf ihm nach § 42 AO zugerechnete Einkünfte der Gesellschaft erhoben wurden, kann er diese nach § 34c Abs. 3 EStG abziehen.
Werden dem Stpfl. Gewinnausschüttungen einer inländischen GmbH zugerechnet, die von einer in rechtsmissbräuchlicher Weise zwischengeschalteten ausländischen Gesellschaft bezogen wurden, kann er eine von dieser Gesellschaft auf die Weiterausschüttung an eine weitere zwischengeschaltete ausländische Gesellschaft gezahlte ausländische Steuer nicht gem. § 34c Abs. 3 EStG abziehen, weil es an der Identität der Steuersubjekte fehlt und bei der angemessenen Gestaltung im Sinne eines vollständigen Hinwegdenkens der Auslandsgesellschaften keine ausländische Steuer angefallen wäre.