Rz. 11
Stiftungen dürfen nach § 58 Nr. 6 AO einen Teil, höchstens jedoch ein Drittel ihres Einkommens dazu verwenden, dem Stifter und seinen nächsten Angehörigen Unterhalt zu gewähren, die Gräber des Stifters und der Angehörigen zu pflegen und deren Andenken zu ehren. Die Regelung begründet keinen eigenständigen gemeinnützigen Zweck, sondern ist lediglich eine Ausnahme vom Gebot der Selbstlosigkeit. Eine Stiftung, zu deren Satzungszwecken die Unterstützung von hilfebedürftigen Verwandten des Stifters gehört, kann daher nicht unter Hinweis auf § 58 Nr. 6 AO als steuerbegünstigt behandelt werden.
Unter Einkommen ist die Summe der Einkünfte aus den einzelnen Einkunftsarten des § 2 Abs. 2 EStG zu verstehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Einkünfte steuerpflichtig sind oder nicht. Positive und negative Einkünfte sind zu saldieren. Bei der Ermittlung der Einkünfte sind von den Einnahmen die damit zusammenhängenden Aufwendungen einschließlich der Abschreibungen abzuziehen.
Bei der Belastung des durch das Stiftungsgeschäft übertragenen Vermögens mit Verbindlichkeiten, Auflagen oder sonstigen Verpflichtungen ist zu differenzieren. Nach Auffassung der Rechtsprechung unterliegt die Erfüllung von Verbindlichkeiten, die bereits in Ausführung des Stiftungsgeschäfts auf die Stiftung übergehen und diese belasten, nicht den Grenzen von § 58 Nr. 6 AO, da das der Stiftung zugewandte Vermögen von vornherein um diese Verpflichtungen gemindert sei. Nach Auffassung der Finanzverwaltung und eines Teils des Schrifttums gelten die Grenzen des § 58 Nr. 6 AO auch für Leistungen, die eine Stiftung in Erfüllung von vornherein übergegangenen Verbindlichkeiten aus ihrem Einkommen erbringt.
Dem ist nicht zuzustimmen: Belastet ein Stifter im Rahmen des Stiftungsgeschäfts das Vermögen mit Verbindlichkeiten, so ist die darin liegende Schmälerung der für die Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke zur Verfügung stehenden Mittel als Ausdruck des Stifterwillens hinzunehmen. Dies gilt umso mehr, als Verbindlichkeiten im Regelfall der Höhe und/oder Laufzeit nach beschränkt sind und damit in einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt wegfallen; die Stiftung hat damit wirtschaftlich betrachtet von vornherein die Anwartschaft darauf, in Zukunft vollständig über ihr Einkommen verfügen zu können. Führt die Belastung ausnahmsweise dazu, dass der Stiftung keine Mittel zur Erfüllung ihres steuerbegünstigten Zwecks zur Verfügung stehen, dürfte dies in den betreffenden Jahren dazu führen, dass die Steuerbegünstigung mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 63 AO entfällt.
Rz. 12
Da die Grenze für die Verwendung an das Einkommen anknüpft, ist maßgeblich das jeweilige Einkommen des Veranlagungszeitraums; es ist also für jeden Veranlagungszeitraum zu prüfen, ob diese Grenze überschritten ist. Diese Regelung ergibt sich aus der Verwendung des Begriffs "Einkommen", obwohl ein Anknüpfen an einen Wert aus dem Durchschnitt mehrerer Jahre sinnvoller wäre.
Rz. 13
Der Begriff der nächsten Angehörigen ist enger zu verstehen als die Definition des § 15 AO zu Angehörigen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung umfasst der Ehegatten und Lebenspartner nach dem Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft, Eltern, Großeltern, Kinder, Enkel (auch falls durch Adoption verbunden), Geschwister sowie Pflegeeltern und Pflegekinder. Im Hinblick darauf, dass Stiftungen regelmäßig auf Dauer angelegt sind und eine maximal auf zwei Nachfolgegenerationen beschränkte Versorgung der Angehörigen des Stifters dem nicht gerecht wird, wird mit guten Gründen eine Erweiterung des Angehörigenbegriffs auf alle Verwandten in gerader Linie vorgeschlagen.
Rz. 14
Unterhalt, Grabpflege und Ehrung müssen sich in einem angemessenen Rahmen halten; damit ist neben der Grenze von einem Drittel des Einkommens noch eine weitere Grenze festgelegt. Maßstab für die Angemessenheit des Unterhalts ist der Lebensstandard des Empfängers, nicht des Stifters.