Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
Rz. 23
Bei einer Haftungsinanspruchnahme muss die getroffene Ermessensentscheidung grundsätzlich begründet werden. Das gilt wegen § 121 Abs. 1 auch für die Inanspruchnahme nach § 69 AO. BFH v. 16.10.1984, VII S 13/84, ZIP 1985, 958 ist darin zuzustimmen, dass die erforderliche Begründung eines Haftungsbescheids als Verwaltungsakt im Wesentlichen Ausfluss des rechtlichen Gehörs ist und nichts mit den formellen Anforderungen an den Inhalt eines Haftungsbescheids zu tun hat. Die mit dem Haftungsbescheid in Anspruch genommene Person bedarf jedoch der Begründung auch im Hinblick auf das rechtliche Gehör i. d. S., als sie sich für die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs klar werden kann. Bei Nichtabführung der LSt durch einen GmbH-Geschäftsführer sollte sich bei der früheren Haftung nach § 109 RAO eine Ermessensbegründung für die Haftungsinanspruchnahme erübrigen. Diese früher angenommene "Vorprägung" der Ermessensausübung kann für die Fälle der groben Fahrlässigkeit nicht mehr angenommen werden, da diese Schuldform bereits die geringste vom Gesetzgeber geforderte ist. Aber auch für die Fälle der vorsätzlichen Pflichtverletzung ist eine "Vorprägung" abzulehnen. Eine andere Frage ist es, ob in solchen Fällen die Begründung unter Hinweis auf die unterschiedlichen Verschuldensgrade bei den Haftenden kurz gehalten werden kann. Kommt neben der in Anspruch genommenen Person ein anderer nicht als Haftender in Betracht, so braucht das Finanzamt regelmäßig die Inanspruchnahme gerade des Haftenden nicht zu begründen. Bei mehreren Haftenden, z. B. mehreren GmbH-Geschäftsführern, müssen sich die Ermessenserwägungen und -begründungen auch auf die anderen Geschäftsführer erstrecken, wenn nicht alle in Anspruch genommen werden. Die Finanzbehörde hat ihre Erwägungen und Gründe für die Ermessensentscheidung im Haftungsbescheid niederzulegen. Fehlt eine solche Begründung, so lässt sich dieser Mangel durch Nachholung der Begründung in der Einspruchsentscheidung nach § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO heilen. Die Finanzgerichte können die Ermessensentscheidungen nur auf Ermessensfehler überprüfen. Daher dürfen von der Finanzbehörde auch nicht erst im finanzgerichtlichen Verfahren erstmals Ermessenserwägungen angestellt werden, die Ermessensgründe auswechseln oder vollständig nachholen. Ein nicht heilbarer Ermessensfehler ist auch dann anzunehmen, wenn die Ermessensentscheidung auch in der Einspruchsentscheidung noch nicht ausreichend begründet worden ist. In diesen Fällen kann allerdings ein neuer Haftungsbescheid erlassen werden. Nach BFH v. 23.3.1993, VII R 38/92, BStBl II 1993, 581 soll zudem bei einer solchen Aufhebung des Haftungsbescheids durch das FG wegen fehlender Ermessensausübung die Festsetzungsfrist im Umfang der nachzuholenden Ermessensentscheidung nicht ablaufen, bevor der nach dem Ergehen der gerichtlichen Entscheidung erlassene Haftungsbescheid unanfechtbar geworden ist.