Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
Rz. 5
Entgegen dem Auszahlungs- und Herausgabeverbot müssen ohne Zustimmung des FA das Guthaben ausgezahlt, aus der Verwahrung Wertsachen oder aus dem Schließfach dessen Inhalt herausgegeben worden sein. Voraussetzung ist eine auf Dauer angelegte Verwahrung oder Vermietung. Teilherausgaben fallen ebenfalls hierunter. Ohne Belang ist, an wen und aus welchem Grund (z. B. Abtretung) die Herausgabe geschieht. Eine Mitwirkung an der Verfügung über Guthaben, Wertpapiere usw. reicht aus. Eine körperliche Übergabe ist nicht erforderlich. Die bloße Entgegennahme einer Aufrechnungserklärung durch den Konteninhaber reicht allerdings mangels Handelns, Duldens oder Unterlassens des Kontenführers nicht für die "Herausgabe". Auch eine Aufrechnung ist dann ausnahmsweise als Verstoß gegen die Kontensperre zu werten, wenn der Kontoführer (Bank) über die Eröffnung des Kontos hinaus Handlungen wie z. B. eine Kreditgewährung vornimmt, die dem Kontoinhaber Verfügungen über das Konto (z. B. Aufrechnung) ohne Mitwirkung des Kontoführers ermöglicht. Erteilt das FA seine Zustimmung nachträglich (Genehmigung), so scheidet die Haftung aus. Für die Zustimmung zuständige Finanzbehörde ist das FA inanzamt, das für die ESt oder KSt des Verfügungsberechtigten zuständig ist.
Rz. 5a
Bei mehreren Verfügungsberechtigten, z. B. den Eltern über das Konto des Kindes oder den Geschäftsführern, Prokuristen usw. einer Gesellschaft, bedarf es nach dem Wortlaut der Zustimmung aller für diese zuständiger FÄ. Wenn auch der Gesetzgeber in § 154 AO wie früher in § 163 RAO die Personen der Verfügungsberechtigten und des Gläubigers miteinander verwechselt und vermischt zu haben scheint, muss hier doch dem Wortlaut der Vorschrift gefolgt werden, da die Verfügungsberechtigung nicht nur ein wichtiges Anzeichen für die Gläubigerschaft bietet, sondern hinter ihr auch besondere Interessen liegen können, deren Kenntnis für eine vollständige und zutreffende Besteuerung und deren Realisierung bedeutsam sein können.
Der Verstoß gegen das Herausgabeverbot muss ursächlich für die Nichtverwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sein. Diese Kausalität ergibt sich aus der Umschreibung der Ausfallhaftung (vgl. Rz. 2). Die Ursächlichkeit des Verstoßes für die Steuerausfälle ist danach zu beurteilen, ob das zuständige Finanzamt (vgl. Rz. 5) die nach § 154 Abs. 3 AO notwendige Zustimmung im Rahmen seiner Ermessensentscheidung getroffen hätte. Das soll sich nach dem (möglicherweise noch nicht bekannten) Vorhandensein steuerlicher Ansprüche richten.