Rz. 1
Auf dem Gebiet des Steuer- und Bilanzrechts hat sich eine sehr eigene Sprache etabliert. Um Rechtsgrundlage für teilweise empfindliche staatliche Eingriffe sein zu können, ist es erforderlich, dass der Adressat eines Eingriffs dessen Grund, Umfang und Rechtsfolgen verstehen kann. Hierbei kann nicht auf das individuelle, nicht immer der Finanzbehörde bekannte Sprachvermögen des Adressaten zurückgegriffen werden. Vielmehr hat der Gesetzgeber definiert, wie im Besteuerungsverhältnis kommuniziert wird, was allerdings einvernehmliche Abweichungen nicht generell ausschließt. Die Vorschrift schreibt in Anlehnung an die für das gerichtliche Verfahren geltende Norm des § 184 GVG vor, dass die Amtssprache deutsch ist. Inhaltlich entspricht § 87 AO weitgehend § 23 VwVfG und § 19 SGB X und beschreibt einen allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatz. Soweit § 87 AO Fragen nicht behandelt, sind insbesondere die die allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens konkretisierenden Vorschriften des GVG – und damit insbesondere § 185 GVG – ergänzend heranzuziehen.
Rz. 2
Auch in Anbetracht zunehmender ausländischer Bezüge und der generellen Geltung für alle im Geltungsbereich lebender Minderheiten ist § 87 AO verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dass der deutschen Sprache unkundige Angehörige der steuerberatenden Berufe damit faktisch von der Betreuung der AO unterfallender Besteuerungsverhältnisse ausgeschlossen sind, ist hierbei hinzunehmen. Durch die strikte Geltung der Amtssprache entstehende Härten sind nach den Grundsätzen des fairen Verfahrens und des allgemeinen Gleichheitssatzes im Rahmen der Ermessensnormen des § 87 Abs. 2 und 4 AO auszugleichen und im Fall eines behördlichen Ermessensfehlgebrauchs justiziabel. Dem Grundrechtsschutz und grundrechtsgleichen Schutz fremdsprachiger Beteiligter ist durch diese Regelung Genüge getan. Die Norm verstößt auch nicht gegen Art. 6 Abs. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Dies gilt bereits nach dem – nur das Strafverfahren betreffenden – Wortlaut. Überdies ist der EMRK auch grundsätzlich nicht zu entnehmen, dass nicht in der Sprache des Ausländers abgefasste staatliche Akte rechtsunwirksam sind. Schließlich ist auch kein Verstoß gegen Art. 18 AEUV (vormals Art. 12 EGV) erkennbar.
Rz. 2a
Mit Einführung der elektronischen Kommunikation durch das Dritte Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften (3. VwVfÄndG) v. 21.8.2002, BGBl I 2002, 3322 ist in § 87 Abs. 2 S. 1 AO mit Wirkung v. 28.8.2002 das Wort "Schriftstücke" durch das Wort "Dokumente" ersetzt worden. Zudem war § 87 Abs. 2 S. 4 AO mit der Modernisierung des Kostenrechts an das neu geschaffene Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) anzupassen.
Rz. 3
§ 87 AO gilt entsprechend seiner systematischen Stellung für das gesamte Besteuerungsverfahren i. w. S. und über § 365 AO auch für das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren. Aufweichungen erfährt dieser Grundsatz in § 2 Abs. 5 S. 2 der zu § 90 Abs. 3 AO ergangenen GAufzV, gilt aber uneingeschränkt für die Abgabe länderbezogener Berichte multinationaler Unternehmensgruppen nach § 138a AO, sowie für die Anzeige grenzüberschreitende Steuergestaltungen nach § 138 f Abs. 6 AO. Da das BZSt in der Folge für die Weitergabe an das betroffene Ausland eine Fassung in englischer Sprache zu verwenden hat, können allerdings einige in der Anzeige zu machende Angaben zusätzlich auch in englischer Sprache ergänzt werden. In § 87 Abs. 2 und 4 AO wirken insbesondere die Pflichtenteilungsgrundsätze der §§ 88 bis 90 AO. Zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen in fremder Sprache enthält § 146 Abs. 3 AO eine Sonderregelung.