Rz. 13
Da der automatisierte Datenabgleich nach § 88b AO der Verhütung, Ermittlung oder Verfolgung einer länderübergreifenden, sowie international bedeutsamen oder erheblichen Steuerverkürzung dient, wird vertreten, die Norm begründe die Einführung der anlasslosen Rasterfahndung in das Steuerverfahrensrecht. Dies sei umso gravierender, als in § 88b AO weder eine konkrete Gefährdung hochrangiger Rechtsgüter erforderlich, noch ein Richtervorbehalt normiert sei. Die Norm könnte das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auch in anderer Weise verletzen.
Rz. 14
Zudem könnte infrage stehen, ob der Gesetzgeber den Einsatzbereich der Norm hinreichend klar bestimmt hat.
1.4.1 Verfassungsrechtliche Problemstellungen
1.4.1.1 Ermittlungen "ins Blaue"/Rasterfahndung
Rz. 15
Eine Rasterfahndung der Strafverfolgungsbehörden zum Zwecke bloßer Vorfeldermittlungen von Steuerstraftaten ist als Verstoß gegen das aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG herrührende Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht zulässig. Grundrechtseingreifende Ermittlungen "ins Blaue hinein" lässt die Verfassung nicht zu. Deshalb sind diese schon nach §§ 85, 86 S. 1 AO grundsätzlich unzulässig. Nicht jede Auswertung einer Vielzahl von Daten stellt aber eine Rasterfahndung dar. Vielmehr kommt es auf den hinreichenden Anlass für das Tätigwerden und damit darauf an, dass für die Auswertung der herangezogenen Daten konkrete Anhaltspunkte fallbezogen oder aufgrund allgemeiner Erfahrungen bestehen. Da § 88b AO den Datenabgleich an konkrete Steuervollzugszwecke zur Verhinderung von Steuerverkürzungen bindet, bietet die Norm keine Grundlage für eine "anlasslose" Rasterfahndung, soweit diese Vollzugszwecke auch in der Praxis Beachtung bei der Datenauswahl und -auswertung finden (vgl. dazu Rz. 21).
1.4.1.2 Sonstige Form des Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung
Rz. 16
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung trägt Gefährdungen und Verletzungen der Persönlichkeit Rechnung, die sich für den Einzelnen insbesondere unter den Bedingungen moderner Datenverarbeitung, aus informationsbezogenen Maßnahmen ergeben. Dieses Recht flankiert und erweitert den grundrechtlichen Schutz von Verhaltensfreiheit und Privatsphäre und lässt diesen schon auf der Stufe der bloßen Persönlichkeitsgefährdung, also bereits im Vorfeld konkreter Bedrohungen von Rechtsgütern, beginnen. Selbst wenn die Erfassung eines größeren Datenbestandes nur der weiteren Verkleinerung der Treffermenge dient, kann bereits in der Informationserhebung ein Eingriff in dieses Grundrecht liegen. Hier liegen die Daten den Finanzbehörden aber bereits vor (Rz. 29). Es kommt deshalb (nur) darauf an, ob und ggf. unter welchen Umständen die "bloße Datenzusammenführung" eine den Grundrechtseingriff auslösende Qualität aufweist.
Rz. 17
Eine Gefährdungslage entsteht aber auch schon beim Zusammenfügen von vorhandenen Datensammlungen. Schon dadurch werden vielfältige Nutzungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten geschaffen, die grundrechtliche Geheimhaltungsinteressen der betroffenen Person beeinträchtigen und Eingriffe in ihre Verhaltensfreiheit darstellen können, ohne dass die betroffene Person die Richtigkeit und Verwendung der gespeicherten Informationen zureichend kontrollieren kann. Das Eingriffspotenzial von Maßnahmen der elektronischen Datenverarbeitung liegt insbesondere in der Menge der verarbeitbaren Daten, die auf konventionellem Weg gar nicht bewältigt werden können.
Rz. 18
Allerdings ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht schrankenlos gewährleistet. Einschränkungen erfährt es insbesondere durch das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Gebot der steuerlichen Belastungsgleichheit. Zugunsten des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung streiten andererseits auch die Schranken des Vorbehalts des Gesetzes, des Bestimmtheitsgebots und des Verhältnismäßigkeitsgebots. Die Schwere des Grundrechtseingriffs ist abwägend in das Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe zu setzen, wobei es wesentlich darauf ankommt, ob zur Zweckerfüllung den Stpfl. weniger belastende, aber gleich effektive Alternativen zur Verfügung stehen. Dies kann hier jedenfalls insoweit ausgeschlossen werden, als eine Informationsbeschaffung von außerhalb der Finanzverwaltung jedenfalls einen ungleich schwereren Eingriff darstellen würde.
Rz. 19
Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung als Ausfluss des Art. 3 GG ist ein wesentlicher rechtsstaatlicher Auftrag. Eine ungleichmäßige – den rechtlichen Anforderungen nicht entsprechende ...