Rz. 23
Abweichend von S. 1 beinhaltet § 89 Abs. 1 S. 2 AO eine Mussbestimmung. Aus der strikten Verpflichtung der Finanzbehörde folgt für den Beteiligten ein Anspruch auf Auskunftserteilung. Eine Pflicht zur Erteilung von Auskünften nach § 89 Abs. 1 S. 2 AO obliegt der Finanzbehörde aber nur, wenn der Beteiligte eine entsprechende Anfrage an sie richtet. Aus dem Zusammenspiel mit S. 1 ergibt sich aber, dass die Finanzbehörde einen Beteiligten auch ohne ein Ersuchen über seine Verfahrensrechte und -pflichten belehren muss, wenn dieser die zur Rechtswahrung relevanten Vorschriften nicht kennt oder aus anderen Gründen (z. B. wegen Unerfahren- oder Unbeholfenheit) ein entsprechendes Auskunftsersuchen überhaupt nicht stellen kann.
Rz. 24
Den Finanzbehörden steht im Rahmen ihrer Zuständigkeit seit jeher auch eine Befugnis zur Erteilung von – verbindlichen oder unverbindlichen – Auskünften zu. Einer gesonderten Rechtsgrundlage bedarf es hierfür nicht. Denn die Auskunftsbefugnis ist letztlich ein Annex der finanzbehördlichen Rechtsanwendungskompetenz. Deshalb können die Finanzbehörden sowohl in allgemeiner Form (z. B. durch Merkblätter, Erläuterungen zu Steuererklärungsvordrucken oder Presseverlautbarungen) als auch in individuellen Besteuerungsverfahren formfrei Auskünfte erteilen.
Rz. 25
Auskünfte sind mangels Regelungscharakter grundsätzlich keine Verwaltungsakte i. S. d. § 118 AO. Es handelt sich vielmehr um reine Wissenserklärungen (Tatsachenmitteilungen oder Äußerungen einer Rechtsauffassung), die ohne Bindungswillen erteilt werden. Eine der Rechtsauffassung des Beteiligten widersprechende Auskunft kann folglich auch nicht mit dem Einspruch angefochten werden. Die Verweigerung einer Auskunft ist hingegen ein Verwaltungsakt, gegen den der Einspruch zulässig ist.
Rz. 25a
Eine von der Finanzbehörde erteilte Auskunft muss ordnungsgemäß, richtig, unmissverständlich sowie vollständig sein, damit der Empfänger der Auskunft entsprechend disponieren kann. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Anspruch auf die Auskunft besteht oder nicht. Unklarheiten finanzbehördlicher Hinweise und Auskünfte gehen stets zulasten der Behörde. Hat die Finanzbehörde eine unverbindliche Auskunft erteilt, und ändert sich danach die Rechtslage oder die Rspr., ist sie aber nicht verpflichtet, den Empfänger der Auskunft auf diesen Umstand hinzuweisen.
Rz. 26
Von Auskünften zu unterscheiden sind Zusagen. Dies sind Willenserklärungen einer Finanzbehörde, in der sich diese in einem Einzelfall mit Bindungswirkung zu einer bestimmten Verhaltensweise verpflichtet. Hierbei handelt es sich um einen Verwaltungsakt.
Rz. 27
Ob die finanzbehördliche Erklärung eine Auskunft oder aber eine Zusage beinhaltet, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Maßgebend ist in analoger Anwendung der §§ 133, 157 BGB der Empfängerhorizont. Die gewollte Unverbindlichkeit wird sich häufig daraus ableiten lassen, dass die Finanzbehörde ihre Erklärung ausdrücklich als unverbindlich oder widerruflich bezeichnet. Zielt das Begehren des Stpfl. nicht auf die Lösung eines speziellen Einzelfalls, sondern vielmehr auf die Beurteilung eines abstrakten Sachverhalts ab, so wird die daraufhin erteilte Erklärung regelmäßig nur unverbindlichen Charakter haben.