Rz. 17
Abs. 4 benennt die einzelnen kumulativ vorliegende Wirksamkeitsvoraussetzungen, deren Einhaltung durch das BZSt im Einvernehmen mit der zuständigen obersten Landesbehörde und der von ihr beauftragten Finanzbehörde zu prüfen ist. Im Vertrauen auf die Bindung der Vorabverständigungsvereinbarung durch die örtlich zuständige Finanzbehörde erlassene Verwaltungsakte sind nach den allgemeinen Änderungsvorschriften aufzuheben oder zu ändern. Rechtsgrund der Bindungswirkung ist hierbei nicht schon der völkerrechtliche Vertrag mit dem anderen Vertragsstaat, sondern erst der mit dem Antragsteller abzuschließende öffentlich-rechtliche Vertrag.
5.1 Gültigkeitsbedingungen (Abs. 4 Satz 1)
Rz. 18
In drei unterschiedlichen Fallgruppen entfällt die Bindungswirkung, ohne dass es eines diesen Umstand feststellenden Verwaltungsakts bedarf. Der Antragsteller muss seine entgegengesetzte Rechtsauffassung mit Rechtsbehelf gegen die in der Hauptsache getroffenen Maßnahme bzw. im Wege eines Verpflichtungsersuchens im Falle einer nicht getroffenen Maßnahme verfolgen. Die Fallgruppen, in denen die Bindungswirkung entfällt, sind abschließend im Satz 1 aufgeführt, sodass der Umkehrschluss, dass das örtlich zuständige FA und der Antragsteller an den Inhalt der Vorabverständigung gebunden sind, soweit kein derartiger Fall vorliegt, zulässig ist.
Die erste Fallgruppe nimmt Bezug auf die bereits bei dem Antrag auf Einleitung des Vorabverständigungsverfahrens zuzusichernden Bedingungen nach Abs. 3 Satz 1 (Zustimmung zum Inhalt der Vorabverständigung und Rechtsmittelverzicht). Die Bindungswirkung entfällt demgemäß, wenn diese Bedingungen nicht oder nicht mehr erfüllt werden.
Daneben kommen noch weitere individuell vereinbarte Gültigkeitsbedingungen in Betracht wie z. B. gleichbleibende Beteiligungsverhältnisse; gleichbleibende Verhältnisse bzgl. Marktbedingungen u. -anteil; gleichbleibende Funktions- und Risikoverteilung und Kapitalstruktur oder gleichbleibendes Geschäftsmodell. Bei Aufnahme individueller Gültigkeitsbedingung ist jedoch Zurückhaltung geboten, da ein sehr enger Gültigkeitsrahmen die Zielsetzung eines APA, für den Antragsteller Rechtssicherheit zu gewährleisten, letztlich konterkariert und auch die Verlässlichkeit aufseiten der Finanzverwaltung empfindlich beeinträchtigt.
Zuletzt enthält § 89a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 AO noch zwei gesetzlich geregelte Gültigkeitsbedingungen. Zum einen muss der andere Vertragsstaat die Vorabverständigungsvereinbarung seinerseits einhalten. Hierin kommt der Gedanke zum Ausdruck, dass der andere Vertragsstaat nicht einseitig, nämlich durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag, im Verhältnis zum Antragsteller an den Inhalt der Vorabverständigung gebunden sein kann, während sich der andere Vertragsstaat, ggf. um Standortvorteile zu sichern, von der Vorabverständigung löst. Letztlich soll mit dem Grundsatz in der Nr. 2 der Gefahr der doppelten Nichtbesteuerung begegnet werden. Als weitere gesetzliche Gültigkeitsbedingung nach der Nr. 3 müssen die Rechtsvorschriften, auf denen die Vereinbarung beruht, unverändert fortbestehen. Dieser Grundsatz ist § 2 StAuskV entnommen, sodass insoweit auf die hierzu ergangene Literatur verwiesen wird.
5.2 Prüfung der Gültigkeitsvoraussetzungen (Abs. 4 Satz 2)
Rz. 19
Die Prüfung der Voraussetzungen obliegt nach Abs. 4 Satz 2 dem BZSt im Einvernehmen mit der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr beauftragten Finanzbehörde. So wird die sachgerechte Umsetzung der Vorabverständigungsvereinbarung sichergestellt, da das BZSt aufgrund seiner aktiven Teilnahme an den Verhandlungen eine besondere Sachnähe zum Abschluss der Vorabverständigung besitzt und weiter in Kontakt zu dem anderen Vertragsstaat steht.
Vertreten wird weiter, dass die Gültigkeitsvoraussetzung, die entfallen ist, als wesentlich für das nationale Besteuerungsverfahren anzusehen sein muss, um die Bindung entfallen zu lassen. Hierbei sollen die Gültigkeitsbedingung und der Regelungsgegenstand des Vorabverständigungsverfahren derart voneinander abhängen, dass die entfallende Gültigkeitsbedingung auf den materiellen Gehalt des Vorabverständigungsverfahren Einfluss hat. Dieses ungeschriebene geltungserhaltende Merkmal soll dem Wesen der Vorabverständigung, bei unsicherer Prognose gleichwohl eine angemessene Rechts- und Planungssicherheit zu gewährleisten, Rechnung tragen. Ohne weiteres wird dies wohl in den Fällen gelten, in denen sich der andere Vertragsstaat oder der Antragsteller von Vorabverständigungsvereinbarungen lossagt. Näher zu untersuchen wird dies stets bei den individuell vereinbarten Gültigkeitsbedingungen sein, da diesen ein besonderer Stellenwert zuzugestehen ist.