3.2.1 Sachaufklärungs-/Beweismittelbeschaffungspflicht
Rz. 37
Nach § 90 Abs. 2 S. 1 AO trifft die Beteiligten bei Vorgängen mit Auslandsbezug eine Sachaufklärungs- und Beweismittelbeschaffungspflicht. Dabei haben sie alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Dies geht deutlich über die Regelung des § 90 Abs. 1 AO hinaus, der lediglich zu einer Mitwirkung bei der Sachaufklärung sowie einer Benennung von Beweismitteln verpflichtet. Die Beteiligten müssen eine erschöpfende, sowohl im Detail als auch im Zusammenhang vollständige und wahrheitsgemäße, durch die Finanzbehörden verifizierbare und für eine richtige Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ausreichende Gesamtdarstellung des konkreten steuerrelevanten Sachverhalts geben. Die Anforderungen hieran sind umso höher, je mehr sich der Stpfl. auf ungewöhnliche Gestaltungen und Abwicklungen einlässt.
Rz. 38
Die erweiterten Mitwirkungspflichten erfassen stets nur den Beteiligten des jeweiligen Besteuerungsverfahrens, nicht dessen ausländischen Geschäftspartner. Die Vorschrift ermächtigt auch nicht zu allgemeinen Befragungsaktionen mittels Formularen. Ebenso lässt sich aus § 90 Abs. 2 S. 1 AO nicht herleiten, dass ein sich im Ausland abspielender Vorgang nur dann als nachgewiesen anzusehen ist, wenn der Stpfl. durch eine Bescheinigung der ausländischen Behörde nachweist, sich entsprechend den dortigen steuerrechtlichen Vorschriften verhalten zu haben.
Rz. 39
Nach BMF v. 12.4.2005, IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl I 2005, 570 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren) umfasst die Aufklärungspflicht auch die Vorlage von Gutachten oder Stellungnahmen steuerlicher Berater. Dem ist zu widersprechen. Denn zum einen würde hierdurch das Vorlageverweigerungsrecht des Verfassers unterlaufen. Zum anderen bezieht sich die Mitwirkungspflicht des Beteiligten immer nur auf die Aufklärung, nicht aber auch auf die Würdigung des Sachverhalts.
Rz. 40
Der Beteiligte hat die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Die Frage der "Erforderlichkeit" richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und ist in der Tatsacheninstanz zu beurteilen. Als unbestimmter Rechtsbegriff ist die Erforderlichkeit aber auch noch in der Revisionsinstanz überprüfbar. Ist ein Sachverhalt bereits bewiesen, ist ein weiteres Beweismittel mangels Entscheidungserheblichkeit nicht erforderlich. Gleiches gilt, wenn das zu besorgende Beweismittel auf einen Sachverhalt bezogen ist, der seinerseits keinen Bezug zu einem Besteuerungstatbestand hat.
Rz. 41
Das erforderliche ausländische Beweismittel ist der Finanzbehörde als sog. präsentes Beweismittel zur Verfügung zu stellen. Für die Erfüllung der Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 S. 1 AO genügt danach die schlichte Benennung einer im Ausland ansässigen Auskunftsperson nicht. Denn der Finanzbehörde ist es nicht möglich, auf fremdem Hoheitsgebiet Auskünfte kraft eigenen Rechts einzufordern und durchzusetzen. Die ausländische Auskunftsperson ist deshalb zu stellen und die Auskunft am Ort des Behördensitzes zu erteilen. Anderenfalls muss der Beteiligte den Vorwurf der Verletzung seiner Mitwirkungspflichten gegen sich gelten lassen. Dies gilt auch für als ausländische Auskunftspersonen in Betracht kommende EU-Bürger. Die Finanzbehörde ist nicht verpflichtet, den von einem steuerlichen Berater vertretenen Beteiligten auf diese Umstände hinzuweisen.
Rz. 42
Die Gründe für das Ausbleiben der ausländischen Auskunftsperson sind generell unerheblich. Dagegen verletzt ein Beteiligter seine nach § 90 Abs. 2 S. 1 AO erhöhte Mitwirkungspflicht nicht, wenn er sich bei einem im Inland lebenden Zeugen darauf beschränkt, dessen ladungsfähige Anschrift mitzuteilen.