Rz. 24
§ 97 AO berechtigt die Behörde grundsätzlich (d. h. im Rahmen des Zumutbaren und Erforderlichen) zur Anforderung der Urkunde im Original. Denn nur die Originalurkunde hat – im Gegensatz zu einer Fotokopie oder Abschrift – die Garantiefunktion für die Richtigkeit des Inhalts und damit den vollständigen Beweiswert. Es steht im Ermessen der Finanzbehörde, unter welchen Voraussetzungen sie ausnahmsweise doch die Vorlage einer Fotokopie für ausreichend hält. Anhaltspunkte für die behördliche Ermessensentscheidung sind u. a. die Bedeutung der Sache, die Fälschungsanfälligkeit des Originals und die Bestimmung des Ausstellers über den ordnungsgemäßen Gebrauch der Urkunde. Steht der Informationsgehalt der Urkunde im Vordergrund des Vorlageersuchens, wie z. B. bei Vertragstexten, ist regelmäßig auch die Kopie der Urkunde ausreichend, um das Vorlageziel der Finanzbehörde zu erreichen. Anders sein mag es in Fällen, in denen die Echtheit der Urkunde vonseiten der Finanzbehörde angezweifelt wird. Ist es für die Beweiserbringung unerheblich, ob Unterlagen im Original oder in Kopie vorgelegt werden, so muss die Finanzbehörde auch eine Kopie akzeptieren. Elektronische Dokumente unterfallen nicht dem Tatbestand des § 97 AO. Der Druck elektronischer Dokumente macht sie zu einer Urkunde i. S. d. § 97 AO. Dateien in diesem Sinne sind Beweismittel i. S. d. § 92 AO und sind nach Maßgabe des § 90 Abs. 1 S. 2 AO vorzulegen.
Rz. 25
Der Vorlagepflichtige hat die Urkunden wie in dem Vorlageersuchen bezeichnet beizubringen. Die Finanzbehörde ist nicht verpflichtet, eine allgemeine Belegsammlung entgegenzunehmen und einzelne Urkunden selbst herauszusuchen. Der Stpfl. kommt durch die Übergabe mehrerer Aktenordner mit ungeordneten Unterlagen seinen Mitwirkungspflichten nicht ordnungsgemäß nach.
Rz. 26
Von einer fremdsprachigen Urkunde kann die Finanzbehörde eine deutsche Übersetzung verlangen. Diese Verpflichtung trifft nur den Beteiligten, nicht hingegen einen vorlagepflichtigen Dritten. Nach a. A. kann die Finanzbehörde von allen Vorlagepflichtigen eine Übersetzung verlangen, bei einer Vorlage durch Dritte allerdings nur gegen Kostenerstattung nach § 107 AO (vgl. Rz. 12).
Rz. 27
Urkunden müssen nach § 97 Abs. 1 S. 1 AO zur Einsicht und Prüfung vorgelegt werden. Kann die Finanzbehörde ihre Prüfung – aus welchen Gründen auch immer – nicht unverzüglich abschließen, muss der Vorlageverpflichtete der Finanzbehörde vorübergehend den Gewahrsam an der Urkunde überlassen. Dies gilt gleichermaßen, wenn die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung von bestimmten Originalbelegen an Amtsstelle Fotokopien erstellen möchte. § 97 AO setzt nicht voraus, dass die Prüfung der Urkunden in Gegenwart des Vorlagepflichtigen und/oder seines steuerlichen Beraters erfolgt. Es wird zwar oftmals der Wahrheitsfindung dienlich sein, die Unterlagen in deren Beisein zu prüfen. Obligatorisch ist dies aber nicht. Die Entscheidung darüber, wie lange die Finanzbehörde eingereichte Unterlagen zur Prüfung behält, liegt in ihrem Ermessen. Sie allein entscheidet, wann und wie sie die vorgelegten Urkunden prüft. Die Finanzbehörde ist deshalb nicht verpflichtet, noch nicht abschließend geprüfte Originalbelege auf Anforderung des Stpfl. jederzeit zurückzugeben, sofern nicht gewichtige Gründe hierfür vorliegen. Im Regelfall dürfte es nicht zu beanstanden sein, wenn die Finanzbehörde die Unterlagen bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens behält.
Rz. 28
Kann die Urkunde nur in Form der Wiedergabe auf einem Bild- oder Datenträger vorgelegt werden, so ist der Betroffene verpflichtet, auf seine Kosten diejenigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um die Unterlagen lesbar zu machen. Auf Verlangen der Finanzbehörde muss er auf seine Kosten die Unterlagen unverzüglich ganz oder teilweise ausdrucken oder ohne Hilfsmittel lesbare Reproduktionen beibringen.