Rz. 3
Die Vorschrift regelt die Anwesenheit ausländischer Bediensteter anderer Mitgliedstaaten für Zwecke des Informationsaustausches. Ihre Anwesenheit ist in drei Fallgruppen möglich, nämlich zum einen durch Anwesenheit in den Amtsräumen der Finanzbehörde, in denen diese ihre Amtstätigkeit ausübt, zum anderen bei behördlichen Ermittlungen, die auf deutschem Hoheitsgebiet durchgeführt werden., und schließlich bei Befragung von Personen und der Prüfung von Aufzeichnungen. Bei der Befragung von Personen und der Prüfung von Aufzeichnungen ist das deutsche Verfahrensrecht zu beachten. Dies betrifft in erster Linie die Vorschriften der AO, sodass insbesondere Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte nach §§ 101ff. AO zu beachten sind oder bei Bedarf eine rechtzeitige Belehrung nach § 393 AO erforderlich ist. Der Verweis auf die Anwendung der nationalen Verfahrensvorschriften setzt insbesondere voraus, dass im Zweifel die Amtssprache zu beachten ist, eine Befragung also auf Deutsch erfolgen muss. Sofern die Beteiligten dem zustimmen, kann darauf verzichtet werden. Allerdings ist sicherzustellen, dass der befugte Bedienstete des anderen Mitgliedstaats über zureichende Sprachkenntnisse verfügt, um der Befragung folgen zu können. Dies muss naturgemäß erst recht für die befragte Person gelten. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Verfahrensvorschriften eingehalten werden. Kann der inländische Bedienstete eine Übersetzung gewährleisten, so reicht dies aus. Daher reichen die Befugnisse des befugten Bediensteten nicht weiter als im inländischen Recht geregelt, selbst wenn die Vorschriften des ersuchenden Staates weitergehende Befugnisse regeln.
Unverzichtbare Voraussetzung für die Einhaltung des deutschen Verfahrensrechts ist, dass dabei stets ein zuständiger Amtsträger zugegen ist. Dabei muss es sich nicht um einen Außenprüfer handeln; maßgebend ist, dass der Amtsträger für den Steuerfall zuständig ist. Es kann sich also auch um den Sachbearbeiter der Veranlagung, einen Sachgebietsleiter oder Amtsleiter handeln. Denn bei den Befragungen oder Prüfungen der Aufzeichnungen nach Nr. 3 handelt es sich um Verfahrenshandlungen, zu deren Vornahme es eines befugten, also zuständigen inländischen Amtsträgers, bedarf. Der Bedienstete eines anderen Mitgliedstaates hat im Inland keine eigenen Befugnisse. Vielmehr leiten sich seine rechtlichen Möglichkeiten i. S. d. Nr. 3 von den Rechten und Pflichten des inländischen Amtsträgers ab. Daher muss die ständige Präsenz eines zuständigen inländischen Amtsträgers gewährleistet sein. Ist dies nicht der Fall, stehen dem Betroffenen Mitwirkungsverweigerungsrechte zu, aus deren Geltendmachung keine negativen Konsequenzen zu seinen Lasten gezogen werden dürfen. Die Beweislast für die Anwesenheit des inländischen Amtsträgers, während der befugte Bedienstete des anderen Mitgliedstaates tätig ist, liegt bei der Finanzbehörde. Sofern der inländische Amtsträger während einer solchen Handlung zugegen ist, wirkt eine Mitwirkungsverweigerung gegenüber der Befragung durch den ausländischen Bediensteten nach § 10 Abs. 3 S. 2 EUAHiG wie eine Verweigerung gegenüber dem inländischen Amtsträger. In diesem Fall dürfen aus der Verweigerung verfahrensrechtlich vorgesehene, negative Konsequenzen gezogen werden.
Zu Joint Audits, also zeitgleichen Betriebsprüfungen unter Anwesenheit ausländischer Bediensteter, vgl. Klaproth, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 12 EUAHiG Rz. 4a.
Rz. 4
Die Anwesenheit ausländischer Bediensteter und die Teilnahme an Ermittlungshandlungen einer deutschen Finanzbehörde setzen voraus, dass die Ermittlungen der deutschen Behörde auf deutschem Hoheitsgebiet stattfinden. Sind also deutsche Amtsträger bei der Tätigkeit eines anderen Mitgliedstaates anwesend, so kann nicht durch Vereinbarung des zentralen Verbindungsbüros mit einem dritten Mitgliedstaat die Anwesenheit von Bediensteten des dritten Mitgliedstaates im anderen Mitgliedstaat zugelassen werden.
Rz. 4a
§ 10 Abs. 1 S. 2 EUAHiG eröffnet die Möglichkeit, dass der Informationsaustausch mittels elektronischer Kommunikationsmittel erfolgen kann. Dies bedeutet insbesondere die Nutzung von Telefonkontakt oder Videokonferenzsystemen. Dies kann sich bei der nach § 10 Abs. 1 S 1 Nr. 3 EUAHiG vorgesehenen Befragung von Personen anbieten. Aber auch die Übermittlung eingescannter Dokumente zum Zwecke der Prüfung fällt darunter. Voraussetzung dafür ist über den Verweis auf § 87a Abs. 1 S. 3 AO eine verschlüsselte Verbindung, sofern die Beteiligten nicht darauf verzichtet haben.
Rz. 4b
In § 10 Abs. 1 S. 3 und 4 EUAHiG wird das Verfahren der Gewährung der Amtshilfe geregelt. Danach bestätigt das BZSt dem ersuchenden Staat binnen 60 Tagen nach Erhalt des Ersuchens sein Einverständnis zum Informationsaustausch bzw. begründet seine Ablehnung.
Bei der Entscheidung über die Gewährung der Amtshilfe durch die Anwesenheit von Bediensteten anderer Mitgliedstaaten im Inland steht dem BZSt Ermessen gem. § 5 AO zu. Sofern die Voraussetz...