Björn Rottpeter, Dr. Karsten Webel
Rz. 8
Soweit die Strafbefreiung nach § 4 Abs. 1 StraBEG reicht, wirkt sie für alle Taten i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 1 StraBEG nach § 4 Abs. 2 StraBEG als Strafaufhebungsgrund für alle Tatbeteiligten, d. h. Mittäter, Anstifter und Gehilfen. Bedeutung hat diese Regelung insbesondere für Bankmitarbeiter, Rechtsanwälte oder Steuerberater, die im Einzelfall Einfluss auf die Entscheidung zur Steuerhinterziehung genommen oder dabei Hilfe geleistet haben. Insoweit geht die Amnestieregelung deutlich weiter als die Selbstanzeige nach § 371 AO, die i. d. R. nur einen persönlichen Strafaufhebungsgrund für den Anzeigenerstatter darstellt und eine Berichtigungserklärung durch Beauftragte nur dann ermöglicht, wenn diesen explizit ein diesbezüglicher Auftrag gegeben wurde (vgl. Joecks, in F/G/J, Steuerstrafrecht, § 4 StraBEG Rz. 12; § 371 AO Rz. 81).
Die Erstreckung auf alle Tatbeteiligten gilt auch, wenn die strafbefreiende Erklärung durch eine Person i. S. d. § 2 Abs. 2–4 StraBEG abgegeben wurde.
In § 4 Abs. 1 S. 2 und 3 StraBEG wird die Straffreiheit ausdrücklich auf
- Vergütungsgläubiger bei unterlassenen Steuerabzugsbeträgen, bei denen durch Abgabe einer falschen Steuererklärung eine Verkürzung der Steuern bewirkt wurde (vgl. § 4 StraBEG Rz. 6),
- Anteilseigner, bei denen eine verdeckte Gewinnausschüttung zur Verkürzung geführt hat (vgl. § 4 StraBEG Rz. 7),
erstreckt. Folglich müssen auch diese Personen keine eigene strafbefreiende Erklärung abgeben, wenn der Täter oder eine Person i. S. d. § 2 Abs. 2–4 StraBEG dies bereits getan hat.
Rz. 8a
Aus der Erstreckung des persönlichen Umfangs der Strafbefreiung auf alle Tatbeteiligten wird teilweise gefolgert, dass z. B. bei Nichtzahlung der Abgeltungssteuer durch dieses Unterlassen des Erklärenden die Strafbarkeit der Beteiligten eintreten würde. Dies sei aber mit dem staatlichen Strafmonopol unvereinbar, da die Entscheidung über die Bestrafung bei dem Erklärenden liege. Diese Ansicht vermag nicht zu überzeugen, da der Erklärende nicht über den Eintritt der Strafbarkeit entscheidet. Vielmehr hat sich der Beteiligte bereits strafbar gemacht. Es geht somit lediglich um die Frage, ob der Erklärende im Fall einer fehlgeschlagenen strafbefreienden Erklärung dem Beteiligten die Möglichkeit einer erneuten eigenen strafbefreienden Erklärung oder einer Selbstanzeige abschneiden kann. Nach BMF v. 3.2.2004, IV A 4 – S 1928 – 18/04, BStBl I 2004, 225, Tz. 14.4 soll eine fehlgeschlagene strafbefreiende Erklärung gerade nicht zur Tatentdeckung führen, sodass für den Beteiligten die Möglichkeit einer Selbstanzeige noch bestehen würde. Aber selbst wenn diese Ansicht des BMF keine Anwendung findet (vgl. § 13 StraBEG Rz. 7) und man die Tatentdeckung durch die vorhergehende strafbefreiende Erklärung bejaht, ist dies unproblematisch, da z. B. auch ein Anzeigenerstatter dafür sorgen kann, dass der Sperrgrund der Tatentdeckung eingreift – ein Vorgang, der auch nicht im Konflikt mit dem Strafmonopol des Staates steht.
Rz. 9
Gemäß § 4 Abs. 2 S. 3 StraBEG ist die strafbefreiende Wirkung jedoch für den Tatbeteiligten ausgeschlossen, der wegen Vorliegens eines der Ausschlussgründe nach § 7 StraBEG keine eigene wirksame Erklärung mehr abgeben könnte. Dementsprechend tritt die strafbefreiende Wirkung nicht ein, wenn für den fraglichen Teilnehmer bereits ein Ausschlussgrund gegeben ist. Wie sich aus dem Wortlaut ergibt, ist insoweit nur auf das Vorliegen eines Ausschlussgrunds abzustellen; ob der Teilnehmer z. B. erklärungsbefugt wäre, ist hingegen unbeachtlich.
Rz. 10
Da weitere Tatbeteiligte in der strafbefreienden Erklärung nicht benannt werden müssen, erfährt die Finanzbehörde nicht, auf wen sich die strafbefreiende Wirkung erstreckt. Dementsprechend muss der Tatbeteiligte in einem gegen ihn geführten Strafverfahren bzw. im Besteuerungsverfahren selbst nachweisen, dass und inwieweit er durch die strafbefreiende Erklärung eines Dritten straffrei geworden ist (zustimmend bzgl. des Besteuerungsverfahrens, aber unter Hinweis auf den Grundsatz in dubio pro reo bzgl. des Strafverfahrens zweifelnd Joecks, in F/G/J, Steuerstrafrecht, § 4 StraBEG Rz. 14). Eigenständige Ermittlungen der Finanzbehörde erfolgen nicht. Vgl. zu den Aufgaben der Finanzbehörde § 10 StraBEG Rz. 16.
Rz. 10a
Aus der Beratung des Stpfl. im Hinblick auf die Abgabe einer strafbefreienden Erklärung ergeben sich auch für den Steuerberater gewisse Gefahren: Ihm verbleiben nur zwei Möglichkeiten, sofern er Kenntnis von einer auf einem Dauersachverhalt basierenden Steuerhinterziehung erlangt, der Stpfl. die Abgabe einer Amnestieerklärung jedoch ablehnt. Entweder der Berater behält entsprechend dem Willen seines Mandanten die bisherige Erklärungspraxis bei und macht sich dadurch einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung des Mandanten schuldig, oder er muss das Mandat niederlegen.
Zu den sich aus der "Amnestie-Beratung" ergebenden strafrechtlichen Gefahren für den steuerlichen Berater vgl. Kürzinger/Wiese, DStR 2004, 661.