Rz. 20

Im Regelfall unterscheiden sich Außenprüfung und Steuer-/Zollfahndung dadurch, dass die Tätigkeit der Außenprüfung in dem Augenblick endet, in dem der Verdacht einer Steuerstraftat auftaucht[1] und die Anwendung strafprozessualer Mittel (Durchsuchung, Beschlagnahme usw.) erforderlich erscheint[2]. Nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO ist es jedoch auch Aufgabe der Steuer-/Zollfahndung, unbekannte Steuerfälle aufzudecken und zu ermitteln. Insoweit bestehen enge Berührungspunkte mit der Außenprüfung. Zur Abgrenzung wird man § 194 Abs. 1 AO heranziehen müssen. Danach dient die Außenprüfung der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Stpfl. Die Außenprüfung setzt also immer voraus, dass bereits ein Stpfl. bekannt ist[3]. Die Steuer-/Zollfahndung unterliegt dieser Einschränkung nicht. Sie kann auch dann ermitteln, wenn kein Stpfl. bekannt ist (z. B. Chiffreanzeigen, die den Schluss auf steuerlich relevante Vorgänge zulassen).

 

Rz. 21

Außenprüfung und Steuer-/Zollfahndung sind also unterschiedliche, klar voneinander getrennte Verfahren. Die Steuer-/Zollfahndung hat Untersuchungen zum Zweck der Strafverfolgung bzw. die Ermittlung in unbekannten Steuerfällen zum Gegenstand und bedient sich dabei (auch) strafrechtlicher Mittel. Soweit die Steuer-/Zollfahndung bei strafrechtlichen Ermittlungen auch dem Zweck der Steuerfestsetzung dient, d. h. ihr Ermittlungsergebnis der Festsetzungsstelle zur Auswertung überlässt, handelt es sich um einen Nebenzweck, der die Steuer-/Zollfahndung nicht zur Außenprüfung macht. Die Außenprüfung dagegen verfolgt keinen strafrechtlichen Zweck, auch nicht im Nebenzweck. Soweit bei einer Außenprüfung ein strafrechtlicher/bußgeldrechtlicher Verdacht auftaucht, liegt jede weitere Ermittlungshandlung außerhalb des Außenprüfungsverfahrens, die Ermittlungshandlung ist dann Einleitung des Strafverfahrens, die Prüfungshandlung selbst strafrechtliche Ermittlungshandlung[4]. Soweit der BFH[5] die Ansicht vertreten hat, in einer Steuerfahndungsprüfung liege (auch) eine Außenprüfung, die zur Hemmung der Verjährungsfrist führe, ist die Rspr. zur RAO ergangen und mit Inkrafttreten der AO gegenstandslos geworden.

 

Rz. 22

Der BFH[6] sieht dagegen Außenprüfung und Verfolgung von Steuerstraftaten als streng getrennte Verfahren an. Das hat zur Folge, dass Außenprüfungsverfahren und Steuerfahndungsverfahren nebeneinander betrieben werden können; der Prüfungszeitraum des Außenprüfungsverfahrens könne auch erweitert werden. Das Steuerfahndungsverfahren lässt die Regelungen über die Außenprüfung nach § 393 Abs. 1 S. 1 AO unberührt[7]. Die Außenprüfung könne daher auch Ermittlungen bei einem steuerstrafrechtlichen Verdacht vornehmen; allerdings hat das dann die Folge des § 393 Abs. 1 S. 2 AO. Der BFH geht davon aus, dass es bei Verdacht einer Straftat Aufgabe der Finanzbehörde (und nicht einer bestimmten Funktion innerhalb der Finanzbehörde) sei, den Sachverhalt zu ermitteln. Mit welchen Mitteln und auf welche Weise das FA dieser Verpflichtung nachkomme, sei keine Frage der rechtlichen Zulässigkeit, sondern der Zweckmäßigkeit und Praktikabilität. Die Außenprüfung habe bei Verdacht einer Straftat auch die Verpflichtung, die Strafverfolgung aufzunehmen und ein Strafverfahren einzuleiten. Die Ermittlungsmaßnahmen des Außenprüfers könnten daher eine Doppelfunktion haben: die Ermittlung des steuerlichen und des strafrechtlichen Sachverhalts.

Der Unterschied zu der hier vertretenen Ansicht besteht im Grunde darin, dass die Mittel und die Weise der Strafverfolgung nicht nur eine Frage der Praktikabilität sind, sondern den Rechtsschutz des Stpfl. berühren. Die Ansicht des BFH lässt in der praktischen Durchführung eine Vermischung beider Verfahren zu, indem der Außenprüfer sich strafrechtlicher Mittel zur Ermittlung des steuerlichen Sachverhalts und steuerlicher Mittel (z. B. Erzwingung) zur Ermittlung des strafrechtlichen Sachverhalts bedient. Eine Trennung, die dem BFH wohl vorschwebt, indem der Außenprüfer jeweils klarmacht, ob er im strafrechtlichen oder im steuerlichen Ermittlungsverfahren handelt, ist nur theoretisch, nicht aber praktisch möglich. Weder wird sich der Prüfer in der Praxis jeweils darüber klar sein noch wird der Stpfl. jeweils klar erkennen können, in welchem Verfahren er sich befindet. Rechtsstaatlichen Grundsätzen genügt nur eine klare und eindeutige Trennung der beiden Verfahren[8].

 

Rz. 23

Von der Steueraufsicht, §§ 209ff. AO, unterscheidet sich die Außenprüfung dadurch, dass die Steueraufsicht keine Prüfung der Finanzbuchhaltung darstellt, sondern der Waren (Mengenbuchhaltung); vgl. Rz. 45. Ebenfalls keine Außenprüfung i. S. d. §§ 193ff. AO stellt die Schwarzarbeitskontrolle der Zollbehörden dar[9].

[1] Vgl. § 10 BpO.
[2] Einzelheiten zur Abgrenzung der Außenprüfung von der strafprozessualen Tätigkeit der Steuer-/Zollfahndung vgl. § 201 AO Rz. 11ff.
[3] Vgl. § 193 AO Rz. 3; aber str.
[4] Buse, DB 2011, 1942 m. w. N.

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