1 Gliederung des Verwaltungsverfahrens

 

Rz. 1

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis[1] entstehen gem. § 38 AO, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Steuerpflicht knüpft. Das danach kraft Gesetzes bestehende Steuerschuldverhältnis wird dadurch konkretisiert, dass die Steuerschuld, soweit erforderlich, durch Verwaltungsakt festgesetzt wird.[2] Diese Festsetzung ist auch dann notwendig, wenn die Steuerschuld bereits durch Zahlung oder Verrechnung erloschen ist Das Steuerfestsetzungsverfahren[3] in das häufig noch Grundlagenbescheide wie etwa gesonderte Feststellungen als zusätzliche Stufe eingeschaltet sind, ist der erste Schritt im Besteuerungsverfahren. Im Anschluss an das Festsetzungsverfahren setzt das Erhebungsverfahren ein.[4] Dieses ist ein selbstständiger Verfahrensabschnitt, an den sich das Vollstreckungsverfahren[5] anschließen kann, sofern die geschuldete Leistung nicht ohne Zwang erbracht wird.

2 Erhebungsverfahren

 

Rz. 2

Der 5. Teil der AO wird zwar als "Erhebungsverfahren" bezeichnet, enthält aber nur recht wenige Verfahrensvorschriften.[1] Seinen wesentlichen Inhalt machen hingegen steuerschuldrechtliche Regelungen aus, die vorwiegend materiell-rechtlichen Charakter besitzen und nur beiläufig das Verfahren berühren. Da es i. d. R. um die Verwirklichung steuerlicher Ansprüche – z. B. Steueransprüche, Steuererstattungsansprüche – geht, hat das Erhebungsverfahren vor allem das Erlöschen von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis zum Ziel und befasst sich mit diesem, dessen Hinausschieben und den Folgen zeitlicher Verschiebungen.[2]

 

Rz. 3

Gedanklicher Ausgangs- und Endpunkt im Erhebungsverfahren ist regelmäßig das Erlöschen nach § 47 AO. Im Erhebungsverfahren finden sich mit Ausnahme derjenigen aus dem Festsetzungsverfahren stammenden Erlöschensgründe wie die Billigkeitsfestsetzung nach § 163 AO sowie der Regelungen zur Festsetzungsfrist nach den §§ 169171 AO die Erlöschensfälle für die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. Diese sind in den Vorschriften über die Zahlung[3], die Aufrechnung,[4] den Billigkeitserlass und die Billigkeitserstattung[5] sowie die Zahlungsverjährung[6] behandelt. Zeitlicher Ausgangspunkt für das Erlöschen ist bei der Zahlung, Aufrechnung und Verjährung die Fälligkeit des Anspruchs.[7] Ihr Verschieben durch abweichende Fälligkeitsbestimmung,[8] Stundung[9] und Zahlungsaufschub bis zu dessen Aufhebung ab 2015[10] sowie die Folgen der Nichtzahlung bei Fälligkeit in der Gestalt von Säumniszuschlägen[11] sind ebenfalls materiell-rechtliche Vorschriften des Erhebungsverfahrens. Das Gleiche gilt für die in §§ 233238 AO zusammengefassten Vorschriften über Zinsen aller Art. Die Vorschriften über Sicherheitsleistungen[12] enthalten demgegenüber eine Mischung aus verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Bestimmungen.

[2] Alber, in HHSp, AO/FGO, vor § 218 AO Rz. 31ff.; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 218 AO Rz. 2.
[10] § 223 AO a. F., aufgehoben durch das Zollkodex-Anpassungsgesetz.
[12] §§ 241 bis 248 AO.

3 Abgrenzung gegenüber anderen Regelungen

 

Rz. 4

Das Erhebungsverfahren ist von der im 6. Teil der AO geregelten "Vollstreckung" insofern zu unterscheiden, als Letztere die Verfahrensregeln zur zwangsweisen Realisierung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis bringen. Die früher vertretene Differenzierung zwischen "freiwilligen" Leistungen und der Vollziehung[1] kann nicht mehr als Abgrenzung zwischen Erhebung und Vollstreckung dienen, da auch eine Leistung ohne Zwang eine Vollziehung bedeutet.[2] Die Vollstreckung geschieht im Übrigen durch die Erhebung auf der Grundlage der Steuerfestsetzung oder einem der anderen in § 218 Abs. 1 S. 1 AO genannten Verwaltungsakte.[3] Für die Vollstreckung ist allerdings Voraussetzung ihres Beginns das Ergehen eines Leistungsgebots sowie der Ablauf von mindestens einer Woche nach dem Ergehen des Leistungsgebots. Schließlich besteht zwischen Erhebung und Vollstreckung der Unterschied, dass die Erhebung sowohl die Ansprüche des Fiskus als auch die des Stpfl. betrifft, soweit dies inhaltlich möglich ist, während die Vollstreckung stets nur in eine Richtung geht, und zwar einseitig gegen den Stpfl.

 

Rz. 5

In den Einzelsteuergesetzen sind zahlreiche Sonderregelungen zur Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zu finden. Diese Sonderregelungen z. B. zur Fälligkeit, zur Stundung[4] oder zur Verzinsung gehen denjenigen der AO vor, sind aber meist durch sinngemäße Anwendung dieser zu ergänzen. Ein Vorrang der Vorschriften des 5. Teils der AO vor denjenigen der Einzelsteuergesetze kann sich demgegenüber nur selten ergeben.

 

Rz. 6

Für die Zölle werden zahlreiche Vorschriften des Erhebungsverfahrens durch den Unionszollkodex (UZK) überlagert. Dieser hat mit Wirkung vom 1.5.2016 den Zollkodex (ZK) abgelöst.[5] Für die Verbrauchsteuern gilt Entsprechendes, wenn...

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