Rz. 5
Will ein Privatgläubiger die Durchsetzung eines Anspruchs gegen einen Schuldner im Wege der Zwangsvollstreckung erzwingen, müssen drei Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung zwingend gegeben sein: Titel, Vollstreckungsklausel und Zustellung des Titels. Im Gegensatz hierzu benötigen die Finanzbehörden zur Vollstreckung ihrer Ansprüche grundsätzlich keine obsiegenden Urteile eines Gerichts, sondern es genügt ein vollstreckbarer Verwaltungsakt. Dieser Verwaltungsakt kann – wie im steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren zumeist – ein Steuerbescheid, aber auch ein sonstiger Verwaltungsakt etwa in Form eines Auskunftsersuchens nach § 93 AO oder der Anordnung einer Außenprüfung nach § 193 AO sein.
Rz. 6
Die Tatsache, dass die Verwaltung damit in die Lage versetzt wird, sich zunächst selbst eine Vollstreckungsgrundlage zu verschaffen, und diese dann auch noch selbst durchsetzen kann, führt dazu, dass – anders als im Vollstreckungsrecht nach der ZPO – eine neutrale Instanz fehlt, die zunächst die Grundlage für die Vollstreckung schafft. Diese Tatsache lässt sich vor allem angesichts des Massenverfahrens im Steuerrecht aus Praktikabilitätsgründen vertreten, ohne dass die Einschränkungen, die sich für den Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners ergeben, verkannt werden dürfen. Zudem muss auch gesehen werden, dass der Staat letztlich – anders als ein sonstiger Gläubiger – nicht im eigenen Interesse, sondern im Allgemeininteresse tätig wird. Schließlich besteht stets eine Bindung der Verwaltung an die Gesetze und die allgemeinen Grundsätze für rechtsstaatliches Verwaltungshandeln. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Grundsatz der pflichtgemäßen Ermessensausübung gelten damit auch im Vollstreckungsrecht und setzen Grenzen für die Ausübung der staatlichen Maßnahmen. Ihnen kommt zentrale Bedeutung zu.
Rz. 7
Die besonderen Voraussetzungen für die Vollstreckung nach der AO sind in § 254 AO geregelt; zu Einzelheiten s. Erl. zu § 254 AO. Diese Voraussetzungen sind:
- vollstreckbarer Verwaltungsakt,
- Fälligkeit,
- Leistungsgebot,
- Wochenfrist.
Der Verwaltungsakt ist dabei grundsätzlich stets vollstreckbar, wenn nicht seine Vollziehung ausgesetzt wurde oder ausnahmsweise die Vollziehung durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs nach § 361 AO oder § 69 FGO gehemmt ist. Ein wegen eines besonders schwerwiegenden Fehlers nach § 125 AO nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam und kann deshalb keine Vollstreckungsgrundlage sein. Die Fälligkeit der Steuer bestimmt sich nach den Einzelsteuergesetzen. Sofern keine Sonderregelung besteht, gilt § 220 Abs. 2 AO, der festschreibt, dass der Anspruch bereits grundsätzlich mit seiner Entstehung fällig wird, es sei denn, es ist eine Zahlungsfrist eingeräumt worden.
Rz. 8
Leistungsgebot ist die an den Schuldner gerichtete Aufforderung zur Leistung, Duldung oder Unterlassung. Das Leistungsgebot ist ein Verwaltungsakt, der sich darin erschöpft, zu einer Leistung aufzufordern. Wegen der Säumniszuschläge und Zinsen, aber auch der Vollstreckungskosten ist nach § 254 Abs. 2 AO kein besonderes Leistungsgebot erforderlich, wenn diese zusammen mit der Steuer beigetrieben werden. Nach § 254 Abs. 1 S. 4 AO ist auch bei einer Vollstreckung, die erfolgt, weil ein Vollstreckungsschuldner eine von ihm aufgrund einer Steueranmeldung geschuldeten Leistung nicht erbracht hat, kein Leistungsgebot erforderlich. Für die Vollstreckung von Verspätungszuschlägen oder Verzögerungsgeldern ist hingegen stets ein Leistungsgebot notwendig. Seit dem Erlass des Leistungsgebots muss ferner mindestens eine Woche verstrichen sein, bevor die Vollstreckung beginnen darf. Eine kürzere Frist führt dazu, dass das Leistungsgebot rechtswidrig, aber nicht nichtig ist.