Rz. 10
§ 11 FGO: Vorlage an den Großen Senat des BFH.
Will ein Senat in einer Rechtsfrage von einer Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen, muss er die Sache dem Großen Senat vorlegen. Außerdem kann ein Senat in einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung den Großen Senat anrufen. In diesem Fall steht die Anrufung im pflichtgemäßen Ermessen des erkennenden Senats.
§ 2 RsprEinhG: Anrufung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes.
Der GmSOGB mit Sitz in Karlsruhe muss angerufen werden, wenn der BFH in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs oder des GmS abweichen will. Wurde die Rechtsfrage inzwischen vom BVerfG geklärt, kann die Vorlage zurückgenommen werden.
Art. 100 Abs. 1 GG: Anrufung des BVerfG.
Ebenso wie jedes FG ist auch der BFH verpflichtet, eine Entscheidung des BVerfG einzuholen, wenn er davon überzeugt ist, dass eine entscheidungserhebliche Norm eines Steuergesetzes gegen das GG verstößt ("konkrete Normenkontrolle"). Das Verfahren ist bis zu einer Entscheidung des BVerfG auszusetzen. Das vorlegende Gericht hat allerdings vorrangig die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung in Betracht zu ziehen.
Art. 267 Abs. 3 AEUV: Vorlage an den EuGH.
Die FG sind berechtigt, nicht verpflichtet, bei Zweifeln über die Auslegung des Unionsrechts ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten. Als letztinstanzliches Gericht ist der BFH jedoch nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und die Auslegung des Unionsrechts vom EuGH abzuwarten. Die Vorlagepflicht setzt nicht voraus, dass der BFH von der Europarechtswidrigkeit überzeugt ist. Die Vorlagepflicht setzt bereits ein, wenn die Auslegungsfrage ernstlich zweifelhaft ist. Eine Vorlagepflicht entfällt daher nur dann, wenn die Frage bereits durch ein gesichertes Präjudiz entschieden ist oder wenn die Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt.
Die o. g. Verfahren werden vom BFH von Amts wegen eingeleitet. Die Beteiligten des Revisionsverfahrens haben kein Antragsrecht. Sie können die Einleitung eines Anrufungsverfahrens lediglich anregen. An dem Anrufungsverfahren selbst sind sie nicht beteiligt, können jedoch durch sachdienliche Hinweise das Verfahren fördern.
Die Durchführung eines Anrufungs- bzw. Vorlageverfahrens benötigt erfahrungsgemäß eine geraume Zeit. Dadurch kann sich das zugrunde liegende Revisionsverfahren erheblich verzögern.