Rz. 32
Die Prüfung der Frage, ob das Vorverfahren ganz oder teilweise erfolglos geblieben ist, setzt voraus, dass der Verfahrensgegenstand des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens und der Streitgegenstand des Klageverfahrens in objektiver und subjektiver Hinsicht übereinstimmen.
Rz. 33
Klage und Einspruchsverfahren müssen sich also (in objektiver Hinsicht) gegen denselben Verwaltungsakt (bzw. dessen Ablehnung oder Unterlassung) richten. Es ist ausreichend, dass die Finanzbehörde diesen Verwaltungsakt im Tenor zum Gegenstand der Einspruchsentscheidung gemacht hat, auch wenn sie fehlerhaft einen anderen Lebenssachverhalt in das Verfahren einführt.
Rz. 34
Hat die Einspruchsentscheidung demgegenüber einen anderen Verwaltungsakt als den mit der Klage angefochtenen zum Inhalt, ist das Vorverfahren nicht abgeschlossen und die Klage unzulässig.
Rz. 35
Wenn der Stpfl. "einen Einspruch" gegen mehrere Verwaltungsakte eingelegt hat (z. B. Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 oder Einkommen- und Umsatzsteuerbescheid 2012), führt dies zur Anhängigkeit mehrerer Einspruchsverfahren. Bevor gegen einen dieser Verwaltungsakte mit einer Klage vorgegangen werden kann, muss das jeweilige Einspruchsverfahren durch – ggf. zusammengefasste – Einspruchsentscheidung (ganz oder teilweise) erfolglos abgeschlossen worden sein.
Rz. 36
Die Einspruchsentscheidung muss (in subjektiver Hinsicht) von der zuständigen Finanzbehörde gegenüber dem Kläger ergangen sein. Dies ist nur der Fall, wenn er Beteiligter des Einspruchsverfahrens, also Einspruchsführer oder Hinzugezogener, war.
Rz. 37
Erhebt ein Beteiligter des Einspruchsverfahrens Klage, demgegenüber die Einspruchsentscheidung keine Rechtswirkungen erzeugt, weil sie nicht ihm gegenüber, sondern gegenüber einem Dritten ergangen ist, so ist die Klage unzulässig.
Rz. 38
Zu beachten ist dies insb. bei Zusammenveranlagungsbescheiden von Ehegatten. Bei diesen handelt es sich um zusammengefasste Bescheide, die jeder Ehegatte für sich anfechten muss. Es reicht nicht, dass ein Ehepartner die im Wege der Zusammenveranlagung ergangenen Steuerbescheide mit dem Einspruch angefochten hat, denn ein von dem einen Ehegatten eingelegter Einspruch gilt nicht ohne Weiteres auch als Einspruch des anderen Ehepartners.
Rz. 39
Richtet sich eine Einspruchsentscheidung an die Gesellschafterin einer Personengesellschaft, nachdem der Einspruch von der Personengesellschaft selbst eingelegt worden war, so fehlt es sowohl für eine Klage der Personengesellschaft als auch für eine Klage der Gesellschafterin an einem abgeschlossenen Vorverfahren.
Rz. 40
Erhebt ein Dritter Klage, demgegenüber die Einspruchsentscheidung ergangen ist, obgleich er nicht Beteiligter des Einspruchsverfahrens war, so ist die Klage des Dritten zulässig und führt zur isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidung. Ein darüber hinaus gehender, auf eine Sachentscheidung des Gerichts zielender Klageantrag ist unzulässig.
Rz. 41
Erhebt ein Dritter, der nicht Beteiligter ist und demgegenüber die Einspruchsentscheidung auch nicht ergangen ist, Klage, so ist diese nach der (geänderten) Rspr. des BFH dann zulässig, wenn eine notwendige Hinzuziehung zum Einspruchsverfahren nach § 360 Abs. 3 AO hätte erfolgen müssen und von der Finanzbehörde fehlerhaft unterlassen wurde. Das Unterlassen der Hinzuziehung könne nicht nur durch eine Beiladung des Gesellschafters im Klageverfahren gem. § 60 Abs. 3 FGO geheilt werden, sondern auch durch die eigene Klageerhebung des fehlerhaft nicht Hinzugezogenen. Hierdurch werde ein effektiver Rechtsschutz besser als bei einer rein formalen Betrachtungsweise gewährleistet. In der Literatur wird diese Rspr. kritisch gesehen, weil der fehlerhaft nicht Hinzugezogene durch das eigene Klagerecht eine vorteilhaftere Rechtsposition erhält, als im Falle seiner Beiladung, die lediglich zu einer von den Dispositionen des Klägers abhängigen Rechtsposition führe.