1 Grundlagen
Rz. 1
Der Klageverzicht ist die Erklärung gegenüber der Finanzbehörde, gegen einen bestimmten Verwaltungsakt, bzw. bei einem Teilverzicht gegen bestimmte Besteuerungsgrundlagen, keine Klage einlegen zu wollen.
Rz. 2
Der Verzicht auf die gerichtliche Nachprüfung eines Verwaltungsakts und damit auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Rechtsschutz ist zwar als Ausfluss der Dispositionsmaxime grundsätzlich unbedenklich. An diese Selbstbeschränkung des Rechtsschutzes sind aber wegen der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG sowie im Interesse der Rechtssicherheit strenge Anforderungen zu stellen. Dem tragen die Voraussetzungen und Formerfordernisse des § 50 FGO Rechnung.
Rz. 3
Der Klageverzicht umfasst nicht den getrennt zu erklärenden Verzicht auf den Einspruch nach § 354 AO. Dieser bewirkt, dass ein trotzdem eingelegter Einspruch unzulässig und der Verwaltungsakt demgemäß nicht mehr anfechtbar, also bestandskräftig, ist. Da gem. § 44 Abs. 1 FGO das Einspruchsverfahren regelmäßig ein notwendiges Vorverfahren des finanzgerichtlichen Klageverfahrens ist, bewirkt der Einspruchsverzicht insoweit zugleich einen Verlust des Klagerechts. Wird trotz des Verzichts auf den Einspruch Klage erhoben, so ist diese aufgrund der eingetretenen Bestandskraft des angefochtenen Verwaltungsakts unbegründet.
2 Voraussetzungen des Klageverzichts (§ 50 Abs. 1 S. 1 und 2 FGO)
2.1 Nichtanhängigkeit einer Klage
Rz. 4
Der Klageverzicht kann nur für die nicht anhängige Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage, deren Gegenstand ein Verwaltungsakt bzw. die Ablehnung eines Verwaltungsakts wäre, ausgesprochen werden. Einen Verzicht auf eine Verpflichtungsklage in Gestalt einer Untätigkeitsklage sowie eine Feststellungs- oder allgemeine Leistungsklage lässt § 50 FGO nicht zu. Die anhängige Klage kann nur nach § 72 FGO zurückgenommen werden.
2.2 Erlassener Verwaltungsakt
2.2.1 Grundsatz
Rz. 5
Nach § 50 Abs. 1 S. 1 FGO darf der Klageverzicht erst nach Erlass eines Verwaltungsakts, d. h. dessen Bekanntgabe, erfolgen. Daher kann der Verzichtende in Kenntnis der aus dem Verwaltungsakt resultierenden Rechtswirkungen entscheiden, ob er eines weiteren Rechtsschutzes bedarf. Die Einlegung des Einspruchs oder der Erlass einer Einspruchsentscheidung wird gesetzlich nicht vorausgesetzt. Die Vorschrift ermöglicht vielmehr auch den Verzicht auf die Sprungklage i. S. v. § 45 FGO. Der materielle Inhalt des bekannt gegebenen Verwaltungsakts ist für die Verzichtserklärung grundsätzlich ohne Bedeutung.
2.2.2 Steueranmeldungen (§ 50 Abs. 1 S. 2 FGO)
Rz. 6
Ausnahmsweise darf der Verzicht gem. § 50 Abs. 1 S. 2 FGO vor Erlass des Verwaltungsakts bei Abgabe einer Steueranmeldung erklärt werden. Hier ergibt sich ein Schutz vor Überraschungsentscheidungen der Finanzbehörde dadurch, dass der Klageverzicht ausschließlich unter der Bedingung erklärt werden darf, dass die Steuerfestsetzung nicht von der selbst errechneten Steuer abweicht. Wenn diese Bedingung fehlt, ist die Verzichtserklärung unwirksam. Die übrigen formellen und inhaltlichen Voraussetzungen des Klageverzichts müssen zudem erfüllt sein.
Weicht die Behörde von der Steueranmeldung ab, so ist der Klageverzicht nicht wirksam geworden. Nach Bekanntgabe der abweichenden Steuerfestsetzung kann der Stpfl. dann erneut über seinen weiteren Rechtsschutz entscheiden und ggf. auf den Einspruch oder auf die Klage verzichten.
2.3 Verzichtsbefugnis
Rz. 7
Der Klageverzicht enthält die Erklärung, dass kein individuelles Rechtsschutzbedürfnis besteht. Auf die Klage kann wirksam demgemäß nur derjenige verzichten, dem gegen den Verwaltungsakt die persönliche Klagebefugnis zustehen würde. Dies kann auch der Rechtsnachfolger des Adressaten des Verwaltungsakts sein.
2.4 Freiwilligkeit des Klageverzichts
Rz. 8
Die durch den Klageverzicht bewirkte Einschränkung des Rechtsschutzes ist nur zulässig, wenn der Verzichtsentschluss auf einer freien, unbeeinflussten Willensbildun...