Rz. 66
Das Ruhen des Verfahrens kann von den Gerichten überhaupt nur dann angeordnet werden, wenn die Beteiligten dies übereinstimmend beantragen. Das Gericht kann allerdings das Ruhen des Verfahren gegenüber den Beteiligten anregen. Voraussetzung der Anordnung einer Verfahrensruhe ist daher im Ergebnis das ausdrückliche Einvernehmen der Beteiligten. Die Zustimmung zu einem (begründeten) Antrag eines Beteiligten genügt allerdings. Die Zustimmung zum Ruhen des Verfahrens kann auch bis zur Wirksamkeit der Anordnung desselben durch das Gericht widerrufen werden.
Rz. 67
Die Verweigerung der Zustimmung zum Ruhen des Verfahrens durch einen Beteiligten kann u. U. rechtsmissbräuchlich sein, sodass die fehlende Zustimmung durch das Gericht zu ersetzen ist. Insbesondere steht es auch der beklagten Finanzbehörde frei, auf einer streitigen Entscheidung zu bestehen. Daran ändert auch eine anhängige Revision beim BFH zur selben Rechtsfrage nichts. Insoweit ist das FA nur in dem seltenen Fall zur Zustimmung verpflichtet, wenn die Verfassungsmäßigkeit dieser Rechtsfrage bereits durch das BVerfG als besonders zweifelhaft abgesehen wurde, ohne dass bereits ein Verfahren vor dem BVerfG in dieser Sache anhängig ist.
Rz. 68
Nicht erforderlich ist die Einbeziehung der Beigeladenen. Zwar erhält der Beigeladene durch die Beladung die Stellung eines Beteiligten. Die Beteiligungsrechte eines Beigeladenen sind aber dadurch begrenzt, dass er sich im Rahmen des durch die Anträge der Hauptbeteiligten vorgegebenen Verfahrens- und Streitstands halten muss. Insoweit ist der Beigeladene daher nur selbständiger Dritter in einem fremden Rechtsstreit. Der Beigeladene kann daher im Gegensatz zu den Hauptbeteiligten nicht über den Streitgegenstand verfügen.
Rz. 69
Das Ruhen des Verfahrens darf darüber hinaus nach § 251 S. 1 ZPO aber nur angeordnet werden, wenn dies aus wichtigen Gründen zweckmäßig ist. Hiernach hat das FG nach Auffassung des BFH einen Ermessensspielraum bei seiner Entscheidung. Prozessökonomische Gesichtspunkte mögen dies rechtfertigen. Der Wortlaut des § 251 S. 1 ZPO lässt hingegen keine Zweifel daran, dass das Gericht keinen Ermessensspielraum, sondern lediglich einen Beurteilungsspielraum hat.
Rz. 70
Die Anordnung einer Verfahrensruhe ist regelmäßig zweckmäßig, wenn aller Voraussicht nach zu erwarten ist, dass sich der von den Beteiligten vorgebrachte wichtige Grund für die begehrte Verfahrensruhe förderlich auf das Verfahren auswirkt. Insoweit berechtigen insbesondere solche Umstände, die für eine mögliche unstreitige oder zügige Erledigung des anhängigen Verfahrens sprechen, zur Verfahrensruhe. Ein Ruhen des Verfahrens kann aber auch darüber hinaus zweckmäßig sein, wenn eine nicht nur unwesentliche Förderung des Verfahrens durch eine andere außergerichtliche Maßnahme zu erwarten ist. Diesbezüglich kann das Gericht aber regelmäßig auch prozessökonomischen Erwägungen den Vorrang einräumen.
Rz. 71
Wichtige Gründe sind z. B.:
- anhängige Musterverfahren vor dem BFH über einen vergleichbaren Sachverhalt oder dieselbe Rechtsfrage (vgl. Rz. 30),
- eine bevorstehende Entscheidung eines Parallelfalls, wenn eine Förderung des Verfahrens zu erwarten ist,
- die Durchführung einer Außenprüfung zur Ermittlung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts,
- Gespräche mit der Behörde über eine "tatsächliche Verständigung",
- eine beantragte und zu erwartende Billigkeitsmaßnahme.
Rz. 72
Keine wichtigen Gründe sind z. B.:
- weitere Zeit zur Beibringung von Beweismitteln.
- eine beantragte Akteneinsicht in einem Parallelverfahren, wenn sich die beiden Verfahren gegenseitig nicht beeinflussen.