Rz. 15
Das Akteneinsichtsrecht umfasst die vollständigen Gerichtsakten des jeweiligen Verfahrens, an dem die Berechtigten beteiligt sind. Dies sind die Akten, die alle das gerichtliche Verfahren betreffenden Schriftstücke enthalten. Demnach sind auch die Schriftstücke zur Akte zu nehmen, die versehentlich und ohne richterliche Verfügung an die Beteiligten versendet werden. Zu den Gerichtsakten gehören auch die Beiakten. Erfolgt eine Übertragung der Verhandlung oder der Vernehmung eines Zeugen/Sachverständigen nach § 91a FGO, wird die Übertragung gem. § 91a Abs. 3 Satz 1 FGO nicht aufgezeichnet. Hier ist auf eine angemessene Protokollierung zu achten, die Bestandteil der Gerichtsakten ist.
Rz. 16
Ausgenommen von der Akteneinsicht sind lediglich die in § 78 Abs. 4 FGO (bis 31.12.2017: Abs. 3) genannten Entwürfe zu Urteilen, Beschlüssen und Verfügungen, die Arbeiten zu ihrer Vorbereitung, d. h. der gerichtsinterne Schriftverkehr und andere gerichtsinterne Vorgänge, ferner die Dokumente, die Abstimmungen und Ordnungsstrafen betreffen. Diese Ausnahmen dienen der Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit und des Beratungsgeheimnisses. Nur zum Schutz dieser Rechtsgüter dürfen in den Gerichtsakten enthaltene Gerichtsinterna den Beteiligten vorenthalten werden. In alles, was zur sachgerechten Rechtsverfolgung auch im Hinblick auf ein Revisionsverfahren erforderlich ist, so auch das Selbstablehnungsgesuch oder die Ausschließung eines Richters, muss Einblick gewährt werden. Anders als in den vergleichbaren Vorschriften § 100 Abs. 3 VwGO, § 120 Abs. 4 SGG und § 299 Abs. 4 ZPO, erwähnt § 78 Abs. 4 FGO auch Dokumente, die Ordnungsstrafen betreffen. Diese Vorschrift soll sämtliche Ordnungsstrafen betreffende Dokumente erfassen. Im Hinblick auf die geschützten Rechtsgüter kann § 78 Abs. 4 FGO m. E. jedoch dahin gehend einschränkend ausgelegt werden, dass nur die spruchkörperinternen (vorbereitenden) Dokumente, die Ordnungsstrafen betreffen, von der Akteneinsicht des Berechtigten ausgeschlossen sind.
Rz. 17
Die Einschränkung des § 78 Abs. 4 FGO bezieht sich nur auf den Gerichtsbereich. Sofern in Akten der Behörden derartige Unterlagen vorhanden sind, sind diese nicht von der Akteneinsicht auszuschließen. Dies gilt insbesondere, wenn die Rechtmäßigkeit von Ermessensverwaltungsakten zu prüfen ist. Entsprechend kann auch die Vorlage der Arbeitsakten der Betriebsprüfung verlangt werden.
Rz. 18
Weiter ist in sämtliche dem Gericht vorgelegten sonstigen Akten Einsicht zu gewähren.
Dies betrifft zunächst die den Streitfall betreffenden Akten i. S. d. § 71 Abs. 2 FGO, d. h. diejenigen, welche für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage erheblich und für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung sein können. Streiten sich die Beteiligten indes gerade darum, ob ein Akteneinsichtsrecht hinsichtlich bestimmter Akten besteht, so umfasst das Akteneinsichtsrecht gerade nicht die Akten, um die es in dem Streit geht, sondern nur die Akten, die für die Frage eines etwaigen Anspruchs auf Akteneinsicht von Bedeutung sind. Für das Gericht ist es wünschenswert und erleichtert das Verfahren der Akteneinsicht, wenn die vorgelegten Akten mit fortlaufenden Seitenzahlen versehen (paginiert) sind. Wurden die vorgelegten Akten der Behörde jedoch dem äußeren Anschein nach ordnungsgemäß geführt, auch wenn sie nicht paginiert sind, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie vollständig sind.
Rz. 19
Des Weiteren gehören zu den vorgelegten Akten die weiteren Akten des Beklagten, anderer Behörden oder Gerichte, die vom Vorsitzenden oder Berichterstatter im Wege der Amtsermittlung und Terminsvorbereitung angefordert wurden und zu deren Vorlage der Beklagte, die anderen Behörden und Gerichte gem. §§ 13, 86 FGO verpflichtet sind. Dabei ist zu beachten, dass das Akteneinsichtsrecht verletzt ist, falls das Gericht im Rahmen der Sachaufklärungspflicht Akten hätte beiziehen müssen, dies aber nicht getan hat.
Rz. 20
Ein Akteneinsichtsrecht besteht auch grundsätzlich für die vom Beklagten ohne Verpflichtung nach § 71 Abs. 2 FGO oder ohne gesonderte Aufforderung freiwillig vorgelegten Akten. Die Einsicht in diese Akten kann das Gericht auch dann nicht verweigern, wenn deren Inhalt seiner Auffassung nach keine Bedeutung hat. Denn über den Beweiswert vorgelegter Akten kann und darf es sich erst dann ein abschließendes Urteil bilden, wenn die Beteiligten Gelegenheit hatten, sich zu deren Inhalt zu äußern. Sendet jedoch das Gericht ihm übersandte Akten zurück, ohne von deren Inhalt Kenntnis genommen zu haben, so gelten diese Akten als nicht vorgelegt mit der Folge, dass ein Einsichtsrecht nicht besteht. Hat das Gericht dennoch Kenntnis genommen, darf es diese Kenntnis bei seiner Entscheidung nicht verwerten. Des Weiteren ist ein Akteneinsichtsrecht hinsichtlich solcher Akten zu verneinen, die das FG nicht beigezogen hat, sondern die ihm unaufgefordert übermittelt worden sind, und die nicht den Verwaltungsvorga...