Rz. 74
Streitig ist, wer über den Antrag auf Akteneinsicht entscheidet. Die Entscheidung über das Ob und Inwieweit sowie die Art und Weise ist keine prozessleitende Anordnung i. S. d. § 128 Abs. 2 FGO.
Rz. 75
Seit 1.1.2018 hat der Gesetzgeber in § 78 Abs. 2 S. 5 und 6 FGO ausdrücklich geregelt, dass über einen Antrag nach § 78 Abs. 2 S. 3 FGO der Vorsitzende bzw. der Berichterstatter (beim FG) über die Übermittlung eines Aktenausdrucks oder eines Datenträgers mit dem Inhalt der Akten bei elektronisch geführten Prozessakten entscheidet. Der Berichterstatter beim BFH ist nicht für diese Entscheidung zuständig, da § 79a FGO gem. § 121 S. 2 FGO im Revisionsverfahren nicht gilt.
Rz. 76
Im Übrigen ist nicht eindeutig geklärt, wer für die Entscheidung über einen Akteneinsichtsantrag zuständig ist.
Jedenfalls für eine in vollem Umfang dem Antrag entsprechende Entscheidung soll Folgendes gelten: Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle entscheidet über die Erteilung von Abschriften usw. und über die Gewährung von Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle des Gerichts. Wird Einsicht außerhalb der Räume des sachentscheidenden Gerichts beantragt, soll das Gericht zuständig sein. Die Entscheidung kann vom zuständigen Vorsitzenden, dem vollen Senat oder vom Einzelrichter getroffen werden. M. E. kann die positive Entscheidung auch vom Berichterstattergetroffen werden. Wenn die beantragte Akteneinsicht nicht auf der Geschäftsstelle des Gerichts erfolgen soll, soll im Fall der antragsgemäßen Entscheidung der jeweilige Richter zumindest zustimmen.
Rz. 77
Im Fall einer ablehnenden oder nur teilweise antragsgemäßen Entscheidung durch Beschluss, z. B. wenn ein anderer als der beantragte Ort für die Akteneinsicht bestimmt wird, sollen jedenfalls der Senat in seiner jeweils für die Entscheidung zuständigen Besetzung bzw. der Einzelrichter nach § 6 FGO oder § 79a Abs. 3 FGO funktional zuständig sein.
Rz. 78
Ob auch der Senatsvorsitzende oder der Berichterstatter im Fall einer (teilweise) ablehnenden Entscheidung zuständig ist, ist noch nicht geklärt. M. E. sind diese nicht aufgrund § 79 Abs. 1 FGO zuständig. § 79 Abs. 1 FGO gilt nur für prozessleitende Anordnungen, die die Beschränkung der Akteneinsicht gerade nicht ist, sodass § 79 FGO nicht zur Begründung herangezogen werden kann. Eine Zuständigkeit des Senatsvorsitzenden unter Hinweis auf BFH v. 16.7.1974, VII B 88/74, BStBl II 1975, 235., ergibt sich gleichfalls nicht. In der genannten Entscheidung verweist der BFH auf die damalige Fassung des § 128 FGO. Seinerzeit waren Entscheidungen des Berichterstatters jedoch in § 128 FGO nicht erwähnt, sodass der BFH nur Entscheidungen des Senats oder des Vorsitzenden als beschwerdefähig annehmen konnte. Soweit in der Vorkommentierung vertreten wurde, dass eine Zuständigkeit des Vorsitzenden oder des Berichterstatters (beim FG) infolge Sachzusammenhangs mit § 78 Abs. 2 S. 2 und 3 FGO a. F. gegeben sein konnte, wird dies infolge der Neuregelung ab 1.1.2018 nicht mehr aufrechterhalten. Der Gesetzgeber hat eine ausdrückliche Zuständigkeit des Vorsitzenden/Berichterstatters für eine bestimmte Entscheidung über eine bestimmte Art der Akteneinsicht bei einer elektronischen Akte in § 72 Abs. 2 S. 5 und 6 FGO getroffen, obwohl ihm die Problematik der Entscheidungszuständigkeit bekannt gewesen sein dürfte. Aufgrund dieser Untätigkeit des Gesetzgebers kann jedenfalls seit 1.1.2018 eine Zuständigkeit des Vorsitzenden/Berichterstatters außerhalb des Falls des § 78 Abs. 2 S. 3 EStG nicht angenommen werden. In der Praxis wird allerdings vorab formlos eine (teilweise) Ablehnung angekündigt, was von § 79 Abs. 1 FGO gedeckt sein dürfte. Der Gesetzgeber sollte in § 78 FGO klarstellen, dass der Vorsitzende oder der Berichterstatter nicht nur im Fall des § 78 Abs. 2 S. 3 FGO entscheidet.
Rz. 79
Über ein Akteneinsichtsgesuch nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens entscheidet die Gerichtsverwaltung. Entsprechend § 299 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 155 S. 1 FGO trifft diese Entscheidung der Vorstand des Gerichts, also die Präsidentin oder der Präsident. Die Entscheidungsbefugnis kann durch Dienstanweisung auf einen anderen Richter übertragen werden, beispielsweise auf die Vorsitzende/den Vorsitzenden des Senats, der in der Sache die abschließende Entscheidung getroffen hat. Rechtsschutz gegen die Ablehnung einer Akteneinsicht auf dieser Rechtsgrundlage ist nach § 40 VwGO vor den Verwaltungsgerichten zu erlangen.