Rz. 9
Weil die Beteiligten nach § 78 Abs. 1 FGO grundsätzlich das Recht haben, alle dem Gericht vorgelegten Akten einzusehen, kann deren Inhalt nicht geheim gehalten werden. Das Gesetz nennt bestimmte Fallgruppen, in denen die Amtshilfe verweigert werden kann, nämlich bei Verletzung des Steuergeheimnisses, Geheimhaltung kraft besonderer gesetzlicher Vorschrift, Geheimhaltungserfordernis dem Wesen nach und bei Nachteilen für Bund oder Land. Ab 1.1.2017 sind durch die Einfügung des § 86 Abs. 2 S. 2 FGO weitere Fallgruppen hinzugekommen, nämlich zur Überprüfung bestimmter Weisungen der obersten Finanzbehörden zur Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit sowie zur Überprüfung von Risikomanagementsystemen. Nur wenn die Verletzung des Steuergeheimnisses droht, kann die vom Gericht in Anspruch genommene Behörde selbst die Amtshilfe verweigern. In den übrigen Fällen ist dazu nur die jeweilige oberste Aufsichtsbehörde berechtigt, die von der durch das Gericht in Anspruch genommenen Behörde ggf. einzuschalten ist. Kommt eine Verweigerung der Amtshilfe in Betracht, weil geschützte Rechte unbeteiligter Dritter durch die Amtshilfe verletzt werden könnten, so sollten die betroffenen Behörden diese Dritten anhören, bevor sie über die Verweigerung entscheiden.
Rz. 10
Behörden können die vom Prozessgericht geforderte Aktenvorlage usw. nur verweigern, wenn einer der in § 86 FGO genannten Weigerungsgründe gegeben ist, nicht dagegen, wenn sie meinen, der betreffende Akteninhalt usw. könne zur Sachverhaltsaufklärung nichts beitragen oder sei aus anderen Gründen, etwa wegen Unzulässigkeit der Klage, für den Ausgang des Prozesses bedeutungslos.
Im Hinblick auf Art. 35 Abs. 1 GG und die dort diskutierten Einschränkungen der Rechtshilfe könnte als Weigerungsgrund auch die Unzumutbarkeit der Aktenvorlage oder Auskunftserteilung in Betracht kommen. Allerdings muss die Behörde, wenn sie sich auf die Unzumutbarkeit oder Unverhältnismäßigkeit der Aktenvorlage oder Auskunftserteilung beruft, jedenfalls darstellen, aus welchen Gründen die Aktenvorlage bzw. die Auskunftserteilung unzumutbar ist, um eine Überprüfung der Weigerung zu ermöglichen.
3.1 Steuergeheimnis (§ 86 Abs. 1 Halbs. 2 FGO)
Rz. 11
Nach § 86 Abs. 1 FGO sind die Behörden zur Vorlage verpflichtet, soweit nicht durch das Steuergeheimnis geschützte Verhältnisse Dritter unbefugt offenbart werden. Nach einer Auffassung soll danach der Schutz des Steuergeheimnisses absolut sein, ohne dass eine Abwägung mit dem Interesse an zuverlässiger Sachaufklärung erfolgt. Allerdings ergibt sich aus der Verweisung auf § 30 AO, dass eine Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO möglich ist, wenn eine Abwägung zwischen dem Steuergeheimnis und dem Interesse an einer zuverlässigen Sachaufklärung unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgt. Geschützt sind insoweit nur die Steuergeheimnisse nichtbeteiligter Dritter. Für alle am Verfahren Beteiligten besteht grundsätzlich kein Schutz. Allerdings können Verhältnisse Beigeladener dem Schutz unterfallen, soweit sie in keiner Beziehung zum jeweiligen Streitfall stehen. Kollidieren die geschützten Interessen mehrerer Beteiligter, kann über eine Begrenzung des Akteneinsichtsrechts nach § 78 Abs. 1 FGO Abhilfe geschaffen werden. Dem Steuergeheimnis kann beispielsweise die Identität eines Anzeigeerstatters gegenüber dem Stpfl. unterliegen; im Einzelfall ist eine Abwägung vorzunehmen. Dabei kommt dem Informantenschutz nach Auffassung der Rechtsprechung regelmäßig ein höheres Gewicht gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Stpfl. zu, wenn sich die vertraulich mitgeteilten Informationen im Wesentlichen als zutreffend erweisen und zu Steuernachforderungen führen.
Rz. 12
Die vom Gericht in Anspruch genommene Behörde hat, ggf. nach Anhörung des Betroffenen, die Amtshilfe gegenüber dem Gericht unter Angabe des Grunds zu verweigern, falls eine Verletzung des Steuergeheimnisses eintreten würde. Das von den Amtsträgern zu beachtende Steuergeheimnis ist detailliert in § 30 AO geregelt. Zum Streit über die Berechtigung, die Amtshilfe zu verweigern, s. Rz. 32f.
3.2 Nachteil für Bund oder Land (§ 86 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 FGO n. F.)
Rz. 13
Die Weigerung der Vorlage darf nur von der zuständigen obersten Aufsichtsbehörde ausgesprochen werden. Die Regelung dürfte im Verfahren vor den FG kaum praktisch werden. Die Nachteile müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten. Finanzielle Einbußen und drohender Prozessverlust reichen nicht. Im demokratischen Rechtsstaat sind im Hinblick auf die grundg...