4.1 Verpflichtung zur Amtshilfe
Rz. 28
Umstritten ist, ob die jeweilige Behörde durch den Vorsitzenden oder Berichterstatter nach § 79 Abs. 1 Nr. 3 und 4 und Abs. 3 FGO zur Amtshilfe verpflichtet werden kann oder durch Beweisbeschluss des Senats bzw. Einzelrichters gem. § 82 FGO i. V. m. §§ 358ff. ZPO. Da die Maßnahme nach § 86 Abs. 1 FGO der Sachaufklärung im vorbereitenden Verfahren dient, genügt die Anordnung des Vorsitzenden oder Berichterstatters. Diese Auslegung ergibt sich aus der nach der FGO vorgesehenen Rollenverteilung zwischen Vorsitzendem/Berichterstatter und Senat.
Rz. 29
Eine entsprechende Verpflichtung der Behörde kann durch die Beteiligten beantragt werden. Ob sie ausgesprochen wird, hat das Gericht unter Beachtung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die Beteiligten sind seitens des Gerichts von der Übersendung der Akten zu unterrichten.
4.2 Behördliche Weigerung
Rz. 30
Die durch das Gericht zur Amtshilfe verpflichtete Behörde kann Gegenvorstellungen erheben, wenn sie meint, die begehrte Amtshilfe sei nicht sachdienlich. Bleibt das Gericht bei seiner Aufforderung, kann die Behörde die Amtshilfe nur unter Berufung auf einen der in § 86 FGO genannten Gründe verweigern. Berechtigen Teile von Akten zur Verweigerung der Vorlage, hat die Behörde diese Teile auszuheften. Sind sie dennoch zur Kenntnis des Gerichts gelangt, dürfen sie weder verwertet noch den Beteiligten zugänglich gemacht werden.
Rz. 31
Unter Hinweis auf das Steuergeheimnis kann die in Anspruch genommene Behörde selbst die Amtshilfe verweigern. Auf die anderen Weigerungsgründe aus § 86 Abs. 2 FGO kann sich nur die jeweilige oberste Aufsichtsbehörde berufen. Insoweit haben die nachgeordneten Behörden keine Entscheidungskompetenz. Bei Zweifeln haben sie die Sache daher ihrer obersten Aufsichtsbehörde vorzutragen, die entweder selbst die Weigerung gegenüber dem Gericht ausspricht oder die nachgeordnete Behörde anweist, die Amtshilfe zu verweigern, was jene dann dem Gericht vorzutragen hat. Das Gericht kann wegen § 86 Abs. 3 FGO die Berechtigung zur Weigerung nicht von sich aus überprüfen. Es hat sie hinzunehmen, wobei es sich allenfalls im Fall des § 86 Abs. 1 Halbs. 2 FGO an die Dienstaufsichtsbehörde wenden kann.
4.3 Gerichtliche Überprüfung der Weigerung
Rz. 32
§ 86 Abs. 3 FGO regelt das Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung der Weigerung entsprechend des Regelungsauftrags des BverfG. Die gegenläufigen Interessen (Geheimhaltung einerseits und Rechtsschutz des Bürgers andererseits) werden dadurch in Einklang gebracht, dass die Akten dem BFH vorgelegt werden und dieser dann unter Verpflichtung auf Geheimhaltung und ohne Einsichtsmöglichkeit für die Beteiligten ("In-camera"-Verfahren) die gesetzlichen Voraussetzungen der Verweigerung prüft. Das In-camera-Verfahren dient nicht dazu, die im Hauptsacheverfahren streitige Rechtsfrage zu klären. Es geht ausschließlich um die Rechtmäßigkeit der Weigerung, die angeforderten Akten vorzulegen.
Rz. 33
Ausschließlich zuständig ist der BFH, der auf Antrag eines Beteiligten (§ 57 FGO) durch Beschluss entscheidet. Für den Antrag gilt der Vertretungszwang, auch wenn der Antrag gem. § 86 Abs. 3 S. 2 FGO bei dem Gericht der Hauptsache (FG) zu stellen ist. Er ist nicht fristgebunden, aber bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zu stellen. Wird der Antrag nicht gestellt, kann eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Weigerung nicht erfolgen. Der Antrag nach § 86 Abs. 3 FGO setzt voraus, dass das FG im finanzgerichtlichen Verfahren die Vorlage von bestimmten, bereits vorhandenen Urkunden und Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente oder die Erteilung von Auskünften angeordnet und die ersuchte Behörde sich daraufhin geweigert hat, dieser Aufforderung nachzukommen. Ist dies nicht der Fall, ist der Antrag unzulässig. Es handelt sich hierbei um ein Feststellungsverfahren.
Rz. 34
Das Gericht der Hauptsache kann in der Weise abhelfen, dass es an dem Vorlageverlangen nicht mehr festhält. Hilft es nicht ab, hat es die Akten an den BFH zu übersenden. Dieser hat die oberste Aufsichtsbehörde aufzufordern, die verweigerten Unterlagen vorzulegen. Der BFH lädt die Aufsichtsbehörde zu diesem Zwischenverfahren bei. Lässt das FG nach Auffassung des BFH erkennen, dass ihm an den vom FA nicht vorgelegten Unterlagen nicht oder nicht mehr gelegen ist, besteht für ein entsprechendes Feststellungsbegehren eines Verfahrensbeteiligten keine Veranlassung mehr. Dies kann beispielsweise gegeben sein, wenn das FG nach einer nicht vollständigen Aktenvorlage nicht auf de...