Rz. 9
§ 14c Abs. 1 UStG regelt den unrichtigen Steuerausweis, der dann vorliegt, wenn ein Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder eine sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag gesondert ausweist, als er nach dem UStG schuldet. Der Rechnungsaussteller schuldet dann neben der gesetzlichen Steuer auf den Umsatz – die er übrigens selbstverständlich auch dann schuldet, wenn er überhaupt keine Rechnung erteilt –, auch den unzutreffend ausgewiesenen Mehrbetrag.
Rz. 9a
Zur unionsrechtskonformen, einschränkenden Auslegung des § 14c Abs. 1 UStG gem. dem EuGH-Urteil v. 8.12.2022 s. oben Rz. 5 ff.
Rz. 9b
Ein negativer Betrag, der in einer Rechnung unrichtig oder unberechtigt ausgewiesen wird, füh,rt zu keiner Steuerschuld gem. § 14c Abs. 1 oder Abs. 2 UStG.
Rz. 10
Die Vorschrift gilt auch für Gutschriften i. S. v. § 14 Abs. 2 S. 2 UStG, soweit der Gutschriftsempfänger dem zu hohen Steuerbetrag nicht widerspricht. Das ist deshalb gerechtfertigt, weil eine ordnungsgemäße Gutschrift die Wirkung einer Rechnung hat, mithin den Vorsteuerabzug vermittelt. Der Leistende, der einer ihm vom Leistungsempfänger erteilten Gutschrift, die nicht richtig ist, nicht widerspricht, verhält sich unter dem Gesichtspunkt der Steueraufkommensgefährdung durch einen unzutreffenden Vorsteuerabzug des Gutschriftsausstellers nicht anders als jemand, der eine unzutreffende Rechnung ausgibt. Im Urteil v. 23.1.2013 hat der BFH den Widerspruch des Gutschriftsempfängers auch für den Fall anerkannt, dass die Gutschrift den zivilrechtlichen Vereinbarungen entspricht und die USt zutreffend ausgewiesen ist. Es genügt danach, dass der Widerspruch eine wirksame Willenserklärung darstellt. Weil die Gutschrift mit dem Widerspruch gem. § 14 Abs. 2 S. 3 UStG ihre Wirkung verliert, kann sich der Gutschriftsempfänger auch noch nachträglich wirksam gegen § 14c UStG schützen.
Rz. 11
§ 14c Abs. 1 S. 1 UStG greift ein, wenn ein grundsätzlich zum Steuerausweis berechtigter Unternehmer fälschlicherweise
- für einen steuerfreien Umsatz offen USt in Rechnung stellt, beispielsweise bei einer gem. § 4 Nr. 1a UStG steuerfreien Ausfuhr eine mit dem Ausweis von 7 % oder 19 % versehene Rechnung erteilt;
- Steuer für einen steuerfreien Umsatz ausweist, für den er unzulässigerweise gem. § 9 UStG auf die Steuerfreiheit verzichtet hat;;
- einen zu hohen Steuersatz anwendet, also z. B. wenn er 19 % in Rechnung stellt, obwohl der gesetzlich zutreffende Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 UStG nur 7 % oder gem. § 24 Abs. 1 Nr. 3 UStG nur 9,0 % beträgt;
- Steuer in einer Rechnung ausweist für eine Leistung, bei der die Steuerschuld gem. § 13b UStG auf den Leistungsempfänger verlagert wird;
- Steuer für nicht steuerbare Leistungen in einer Rechnung ausweist (unentgeltliche Leistungen, Leistungen, deren Ort im Ausland liegt, nichtsteuerbare Geschäftsveräußerungen im Ganzen gem. § 1 Abs. 1a UStG);
- Steuer offen ausweist für nicht versteuerte steuerpflichtige Leistungen, wenn die Steuer wegen des Ablaufs der Festsetzungsfrist gem. §§ 169ff. AO) nicht mehr erhoben werden kann.
Rz. 11a
Im Beschluss vom 31.7.2019 hat der BFH es als nicht ernsthaft zweifelhaft angesehen, dass ein Steuerausweis in einer Rechnung nicht i. S. v. § 14c Abs. 1 S. 1 UStG "unrichtig" ist, wenn der betreffende Umsatz zwar nach dem Unionsrecht, nicht aber nach dem deutschem UStG steuerbefreit ist, der Steuerpflichtige sich darauf aber nicht mit Erfolg beruft. Es sei auch nicht ernstlich zweifelhaft, dass ein Berufen auf die Steuerbefreiung nach Unionsrecht nicht mehr möglich ist, wenn eine Änderung der betreffenden Steuerfestsetzung nach den §§ 172ff. AO ausscheidet. Kessens (UR 2020, 195) hält das für falsch, weil die vom EuGH erfundene Möglichkeit der Berufung auf gegenüber dem nationalen Recht günstigeres Unionsrecht so in ihr Gegenteil verkehrt werde.
Rz. 12
Die Aufzählung in Rz. 11 zeigt, dass der Anwendungsbereich der Norm bei den Milliarden von Rechnungen und Gutschriften, die im Geschäftsalltag jährlich ausgestellt werden, außerordentlich groß ist, denn die beschriebenen Fehler kommen erfahrungsgemäß bei Rechnungen, zumeist unabsichtlich, ständig vor.
Rz. 13
Ebenso war § 14c Abs. 1 UStG anwendbar, wenn ein Unternehmer noch nachträglich eine Rechnung mit offenem Ausweis der USt für einen Umsatz erteilt, für den er eine wirksame Erklärung nach dem Gesetz über die strafbefreiende Erklärung (Strafbefreiungserklärungsgesetz – StraBEG), welches durch Gesetz v. 23.12.2003 geschaffen wurde, abgegeben hatte. Die unter diese Amnestie fallende Steuer wird nicht mehr nach dem UStG geschuldet. Aus derartigen Rechnungen kann der Rechnungsempfänger keinen Vorsteuerabzug geltend machen; die gegenteilige Auffassung von Weßling/Romswinkel ist abzulehnen, denn sie negiert zu Unrecht die vom BFH vorgenommenen Ableitungen aus der Rechtsprechung des EuGH.
Rz. 14
Die OFD Karlsruhe subsumiert – zutreffend – auch den Fall unter § 14c Abs. 1 UStG, in dem Unternehmer über ein und dieselbe Leistung meh...