Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 194
Liegen die Voraussetzungen der Organschaft vor, hat der Organträger als der Unternehmer aus allen Eingangsleistungen des gesamten Organkreises den Vorsteuerabzugsanspruch. Für die Beurteilung, ob die Leistung für vorsteuerabzugsschädliche Ausgangsleistungen nach § 15 Abs. 1a bis Abs. 3 UStG oder ggf. im Rahmen einer Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG verwendet wird, kommt es entscheidend auf den Ausgangsumsatz an, in den die Eingangsleistung unmittelbar oder mittelbar mit eingeht. Ein eventuell vorliegender Innenumsatz ist weder vorsteuerabzugsbegründend noch für sich vorsteuerabzugsschädlich.
Beurteilung des Vorsteuerabzugs
Das in der Rechtsform einer Personengesellschaft geführte Zementwerk Z ist Organträger einer Baugesellschaft. Teile des produzierten Zements werden im Rahmen nicht steuerbarer Innenumsätze an die Baugesellschaft verkauft, die den Zement auf Baustellen im Ausland (Bauten auf fremden Grundstücken) verwendet.
Der Organträger ist für alle Eingangsumsätze zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die nicht steuerbaren Innenumsätze schließen den Vorsteuerabzug weder aus, noch begründen sie ihn. Entscheidend sind die im Rahmen des einheitlichen Unternehmens ausgeführten Ausgangsumsätze (hier die Errichtung von Bauwerken im Ausland). Die Errichtung von Bauwerken im Ausland ist nicht steuerbar im Inland, würde aber im Inland nicht zu steuerfreien Umsätzen führen, der Vorsteuerabzug ist damit für alle mit der Zementgewinnung im Zusammenhang stehenden Vorsteuerbeträge nicht nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 UStG ausgeschlossen.
Rz. 195
Für die Beurteilung des Zeitpunkts der Vorsteuerabzugsberechtigung bei Begründung der Organschaft oder bei einem Wechsel des Organträgers kommt es nicht auf das Ausstellungsdatum der Rechnung an, sondern darauf, wann die Leistung tatsächlich ausgeführt worden ist, auf die sich der Vorsteuerabzug bezieht. So hat der BFH entschieden, dass bei einem Wechsel des Organträgers infolge einer Veräußerung der Anteile an der Organgesellschaft, der zeitlich nach dem Bezug einer Leistung durch die Organgesellschaft, aber noch vor Erhalt der Rechnung stattfindet, das Recht zum Vorsteuerabzug aus diesem Leistungsbezug nicht dem neuen Organträger zusteht. Die Berechtigung des Organträgers zum Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen der Organgesellschaft richtet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Leistungsbezugs, nicht der Rechnungserteilung. Zur Zurechnung der Vorsteuerabzugsberechtigung bei Beendigung der Organschaft vgl. auch Rz. 260.
Rz. 196
Auch eine Vorsteuerberichtigung kann durch Begründung oder Beendigung der Organschaft ausgelöst werden, ohne dass sich an der tatsächlichen (zivilrechtlichen) Ausführung einer Leistung etwas ändert. Wenn aus einem bisher nach § 4 UStG steuerfrei ausgeführten Umsatz durch Begründung der Organschaft ein nicht steuerbarer Innenumsatz wird, der im Ergebnis wirtschaftlich mit den Vorsteuerabzug nicht ausschließenden Ausgangsumsätzen zusammenhängt, können sich die Rechtsfolgen der Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG ergeben. Gleiches gilt bei Beendigung der Organschaft, wenn aus einem bisher ausgeführten nicht steuerbaren Innenumsatz, der im Zusammenhang mit vorsteuerabzugsberechtigenden Ausgangsleistungen des einheitlichen Unternehmens stand, eine steuerfreie, den Vorsteuerabzug ausschließende Leistung wird.