Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 140
Hatte der Unternehmer bisher die Voraussetzungen für die Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten nicht erfüllt, ist ihm aber später von seinem zuständigen FA diese Form der Berechnung gestattet worden, ist für das Kj., auf das sich die Gestattung erstmals bezieht, die USt nach dem "Istprinzip" zu berechnen. Bei diesem Übergang ist in jedem Fall zu beachten, dass durch die Umstellung der Besteuerungsform Umsätze nicht doppelt oder gar nicht der Besteuerung unterliegen dürfen. Bei einem Wechsel der Besteuerung von der Berechnung nach vereinbarten Entgelten zu der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten wird sich insbesondere für den Unternehmer das Risiko ergeben, dass er versehentlich einen Umsatz doppelt der Umsatzbesteuerung unterwirft.
Beispiel:Vereinnahmung nach Änderung des Besteuerungsverfahrens
Unternehmer U hat bis zum 31.12.01 seine Umsätze nach vereinbarten Umsätzen besteuert. Da sein Gesamtumsatz nach § 19 Abs. 3 UStG in 01 nur 550.000 EUR betragen hat, stellt er bei seinem zuständigen FA den Antrag auf Berechnung der USt nach § 20 S. 1 Nr. 1 UStG, dem auch zeitnah stattgegeben wird. Im Dezember 01 hatte U Umsätze i. H. v. (brutto) 11.900 EUR ausgeführt, die bis zum 31.12.01 noch nicht bezahlt waren. Von den 11.900 EUR gehen im Januar 02 und im April 02 jeweils 5.950 EUR ein.
Da U in 01 seine Umsätze noch nach vereinbarten Entgelten besteuert, muss er die Umsätze für das vierte Quartal (oder den Dezember) 01 anmelden und die USt auch für diesen Zeitraum entrichten. Bei Zahlungszufluss im Januar 02 bzw. im April 02 sind die Zahlungen nicht noch einmal der USt zu unterwerfen.
Rz. 141
Insbesondere in der Umstellungsphase muss bei den Umsätzen genau geprüft werden, ob diese schon nach der früheren Sollbesteuerung der USt unterworfen wurden oder ob es sich um Umsätze handelt, die erst ab dem Wechsel der Besteuerungsform ausgeführt wurden. Dabei sind besonders die Vorgänge zu beachten, bei denen erst lange Zeit nach Ausführung des Umsatzes das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt werden.
Beispiel: Späte Vereinnahmung nach Wechsel des Besteuerungsverfahrens
Handwerker H hat seit Jahren jeweils einen Gesamtumsatz von ca. 650.000 EUR. Da er die Voraussetzungen des § 20 S. 1 UStG bis Ende 2023 nicht erfüllte, besteuerte er seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten. Im Juni 2022 führte er eine Leistung für 50.000 EUR zuzüglich 9.500 EUR USt aus. Entsprechend der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten, meldete er den gesamten Umsatz für Juni 2022 an und führte die USt von 9.500 EUR an sein FA ab.
Nach Anhebung der Gesamtumsatzgrenze auf 800.000 EUR zum 1.1.2024 beantragt H die Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten, was ihm von seinem FA auch gestattet wird. In 2022 vereinnahmte H 90 % des vereinbarten Entgelts, 10 % werden von seinem Vertragspartner als Sicherheitseinbehalt zurückbehalten (keine Uneinbringlichkeit i. S. d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG).
Im Juni 2027 bekommt H – der jetzt die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet – die restlichen 5.950 EUR ausgezahlt. Da der Umsatz schon 2022 vollständig besteuert wurde, entsteht mit Zahlungszufluss in 2027 keine USt mehr.
Rz. 142
Wechselt der Unternehmer von der Berechnung der USt nach vereinbarten Entgelten zu der Berechnung nach vereinnahmten Entgelten, ist es nicht zulässig, die schon bisher im Rahmen der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten besteuerten Umsätze in der ersten Voranmeldung nach Wechsel der Besteuerungsart zu berichtigen und dann die USt erst zu dem späteren Zeitpunkt der Vereinnahmung wieder an das FA abzuführen. Soweit die USt unter Geltung der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten entstanden war, kann nach Wechsel zur Berechnung nach vereinnahmten Entgelten keine Rückabwicklung schon angemeldeter Umsätze erfolgen.