4.1 Allgemeines
Rz. 44
Die Durchschnittssatzbesteuerung kommt gem. § 24 Abs. 1 UStG nur für Umsätze in Betracht, die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs bewirkt werden. Bei richtlinienkonformer Auslegung muss der Unternehmer landwirtschaftlicher Erzeuger i. S. d. Art. 295 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 MwStSystRL i. V. m. Anhang VII MwStSystRL sein (Rz. 42), um die Durchschnittssatzbesteuerung anwenden zu können. Den Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs i. S. d. § 24 UStG hat der Gesetzgeber in § 24 Abs. 2 UStG mit der Formulierung "Als land- und forstwirtschaftliche Betriebe gelten…" nach Art einer Fiktion definiert. Damit hat der Gesetzgeber zugleich von der Ermächtigung in Art. 295 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 i. V. m. Anhang VII MwStSystRL Gebrauch gemacht, den landwirtschaftlichen Erzeuger für Zwecke des § 24 UStG zu bestimmen (Rz. 33).
Rz. 45
Der Begriff der Land- und Forstwirtschaft in § 24 Abs. 2 UStG lehnte sich bei seiner Entstehung durch das UStG 1967 an das Bewertungsgesetz an, stellt aber gleichwohl eine eigenständige Definition für Zwecke der USt dar. Diese Definition ist bezüglich der erzeugten Pflanzenarten nicht abschließend, denn im pflanzlichen Bereich erfüllt neben u. a. dem Obst- und Gemüsebau (Rz. 49) auch ganz allgemein die Gewinnung von "Pflanzen und Pflanzenteilen mithilfe der Naturkräfte" (Rz. 51) den Begriff der Land- und Forstwirtschaft. Damit hat der Gesetzgeber dem Wandel in der Landwirtschaft Rechnung getragen. Hinsichtlich der Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe ist dagegen durch die Bezugnahme in § 24 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UStG auf die nach dem BewG zur landwirtschaftlichen Nutzung gehörenden Tierarten eine Beschränkung auf bestimmte Tierarten erfolgt (Rz. 62).
4.2 Landwirtschaftlicher Betrieb (§ 24 Abs. 2 S. 1 UStG)
4.2.1 Bodennutzung
Rz. 46
Unter Landwirtschaft versteht man die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens zur Erzeugung von Pflanzen und Tieren (Urproduktion) und die Verwertung der dadurch selbst gewonnenen Erzeugnisse. Hierzu rechnet der Ackerbau, also die Erzeugung von Kulturpflanzen (z. B. Getreide, Kartoffeln, Zuckerrüben) auf dafür bearbeiteten Äckern. Nach Anhang VII Nr. 1 Buchst. a MwStSystRL handelt es sich beim Ackerbau um eine der Tätigkeiten der landwirtschaftlichen Erzeugung i. S. d. Art. 295 Abs. 1 Nr. 2 MwStSystRL. S. Rz. 171 zu Erzeugnissen des Ackerbaus. Bodennutzung i. d. S. kann auch vorliegen, wenn landwirtschaftliche Erzeugnisse vor der Ernte geliefert werden. Zur Landwirtschaft gehören nach § 24 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG außerdem die folgenden Formen der Bodennutzung (s. zu sonstigen landwirtschaftlichen Betrieben nach § 24 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG außer der Tierzucht und -haltung außerdem Rz. 69ff.):
Rz. 47
Weinbau ist die Erzeugung von Weintrauben durch Bodenbewirtschaftung (Kultivierung von Weinreben) und die Verarbeitung der Trauben zu Most und Wein. § 24 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG setzt insoweit Anhang VII Nr. 1 Buchst. a MwStSystRL um. Der Weinbaubetrieb umfasst auch den Anbau von Reben zur Gewinnung von Unterlagsholz (Rebmuttergarten) und die Anzucht von Pflanzreben (Rebschulen) für den eigenen Betrieb. Dagegen rechnet die Erzeugung von Tafeltrauben zum Obstbau (Rz. 49). S. Rz. 172 zu Erzeugnissen des Weinbaus.
Rz. 48
Gartenbau i. d. S. ist der Anbau von Blumen und Zierpflanzen im Freiland oder in Gewächshäusern. § 24 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG setzt insoweit Anhang VII Nr. 1 Buchst. b MwStSystRL um. Nach der Entscheidung des Niedersächsischen FG v. 14.6.1971 verstößt die ungleiche Behandlung des Verkaufs von Blumen und Pflanzen durch landwirtschaftliche Gartenbaubetriebe bzw. durch nichtlandwirtschaftliche Gärtnereien nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. S. Rz. 173 zu Erzeugnissen des Gartenbaus.
Rz. 49
Obst- und Gemüsebau ist der feld- oder gartenmäßige Anbau von Obst und Gemüse. Der Anbau kann auch in Gewächshäusern erfolgen. § 24 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG setzt insoweit Anhang VII Nr. 1 Buchst. b MwStSystRL um; danach rechnen bei richtlinienkonformer Auslegung auch Oliven zum Obst i. d. S. S. Rz. 174 zu Erzeugnissen des Obst- und Gemüsebaus.
Rz. 50
Baumschulen dienen der Gewinnung von Baumschulkulturen, also Pflanzen und Pflanzenteilen besonderer Art, z. B. Bäumen, Büschen, Sträuchern, Bodenbedeckern oder Gehölzen. Hierzu rechnet auch die Kultivierung in Containern. § 24 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG setzt insoweit Anhang VII Nr. 1 Buchst. d MwStSystRL um. S. Rz. 175 zu Erzeugnissen von Baumschulen.
Rz. 51
Übrige Formen der Gewinnung von Pflanzen und Pflanzenteilen mithilfe der Naturkräfte sind z. B. der Weiden-, Hopfen-, Spargel- und Tabakanbau, die Pilzzucht (u. a. Champignonzucht in Kellern und Trüffelanbau auf Plantagen), der Gewürz- und Heilkräuteranbau, die (übrige) Pflanzenzucht in Gewächshäusern, die Zucht neuer Pflanzen und die Keimsprossenkultur. Auch die Reetgewinnung gehört hierzu. § 24 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG setzt insoweit Anhang VII Nr. 1 Buchst. b und c MwStSy...