Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 53
Üben Personen oder Zusammenschlüsse Tätigkeiten aus und ist es strittig, ob diese Tätigkeit zu einem steuerbaren Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG führt, wird in aller Regel eher die Frage der Unternehmereigenschaft (selbstständig; mit Einnahmeerzielungsabsicht, nachhaltige Tätigkeit) oder die Verknüpfung mit einer konkreten Gegenleistung (Leistungsaustausch) Gegenstand des Streits sein. Die Frage, ob es sich überhaupt um eine sonstige Leistung i. S. d. § 3 Abs. 9 UStG handelt, ist dagegen eher selten Gegenstand des Streits. Ob aber eine sonstige Leistung oder eine Lieferung nach den Grundsätzen des Umsatzsteuerrechts vorliegt, kann dann bei der Feststellung des Orts der Leistung oder für die Anwendung einer Steuerbefreiung elementar sein. Auch für die Abgrenzung bei der Übertragung der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG kann es von Bedeutung sein, ob z. B. ein ausländischer Unternehmer im Inland eine (Werk-)Lieferung oder eine Werkleistung (als sonstige Leistung) ausführt.
Rz. 54
Abgeordnete in den Parlamenten des Bundes und der Länder
Nach dem sog. Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts üben Abgeordnete kein Ehrenamt aus. Sie schulden keiner bestimmten Person oder Personengruppe Dienste, sondern nehmen ihre Mandate unabhängig wahr. Die normale Tätigkeit eines Abgeordneten stellt ihrem Wesen nach kein Leisten im wirtschaftlichen Sinn dar und ist deshalb nicht als sonstige Leistung zu beurteilen. Die Abgeordnetenbezüge stellen kein Leistungsentgelt dar, sie sollen den Abgeordneten lediglich in den Stand versetzen, sein Mandat in Freiheit und Unabhängigkeit ausüben zu können.
Rz. 55
Landwirtschaft – Nutzungseinschränkungen
Ausgleichszahlungen, die ein Landwirt nach landesrechtlichen Regelungen erhält, weil er sich freiwillig zu Nutzungseinschränkungen zum Zweck des Trinkwasserschutzes verpflichtet hat, unterliegen nicht der USt, da der Landwirt insoweit keine (sonstige) Leistung ausführt. Es ist nicht erkennbar, dass dem die Zahlung leistenden Land eine Leistung im wirtschaftlichen Sinn erbracht wird, die zu einem Verbrauch und damit zu einem steuerbaren Vorgang i. S. d. Umsatzsteuerrechts führen könnte.
Rz. 56
Leihe
Leihe ist nach § 598 BGB Überlassung eines Gegenstands zum Gebrauch. Sie stellt zwar eine sonstige Leistung dar; da diese aber unentgeltlich erfolgt, scheidet sie als steuerbarer Umsatz aus.
Eine Besteuerungsverpflichtung (steuerbarer Umsatz) könnte sich nur unter den Bedingungen des § 3 Abs. 9a UStG ergeben, wenn die unentgeltliche Ausführung der sonstigen Leistung aus unternehmensfremden Gründen oder gegenüber dem Personal erfolgt.
Rz. 57
Provisionsüberlassung an Kunden
Wirbt ein Agent um Kunden mit dem Versprechen, er werde zum Zweck der Preisermäßigung dem Kunden bei Abschluss eines Kauf- oder Dienstleistungsvertrags einen Teil seiner verdienten Provision zuwenden, bildet die Annahme des vom Agenten im Auftrag des leistenden Unternehmers unterbreiteten Vertragsangebots durch den Leistungsempfänger keine von diesem gegenüber dem Agenten erbrachte sonstige entgeltliche Leistung mit einer Gegenleistung in Form des zugewendeten Provisionsanteils. Vielmehr wendet der Agent dem Leistungsempfänger einen Teil seiner Verkaufsprovision zu. Dies wurde früher als Entgeltsminderung für die ausgeführte Leistung des Agenten angesehen. Der EuGH hatte allerdings festgestellt, dass es nicht zu einer Entgeltsminderung kommt, wenn ein Reisebüro als Vermittler dem Endverbraucher aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten einen Nachlass auf den Preis der vermittelten Leistung gewährt, die von dem Reiseveranstalter erbracht wird. Eine Minderung der Bemessungsgrundlage liegt nicht vor, wenn lediglich ein Vermittler dem Empfänger des von ihm vermittelten Umsatzes einen Teil des Preises für den vermittelten Umsatz vergütet, begründet aber auch keine (sonstige) Leistung desjenigen, der die Rückvergütung erhält.
Rz. 58
Schuldübernahme
Im Allgemeinen ist die Schuldübernahme (Übernahme von Schulden aller Art, z. B. Geschäftsschulden, Bankschulden, Hypothekenschulden) nicht als sonstige Leistung anzusehen. Zwar belastet der Unternehmer durch die Übernahme einer Schuld sein Vermögen und wendet dem Erstschuldner durch dessen Befreiung von der Schuld einen Vermögensvorteil zu. Trotzdem wird man bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Schuldübernahme ebenso wenig wie die Geldzahlung als eine dem Gesamtumsatz zuzurechnende Leistung des Unternehmers ansehen können. Ob jemand eine gekaufte Ware bezahlt oder stattdessen eine Schuld des Verkäufers übernimmt, macht wirtschaftlich gesehen keinen Unterschied aus.
Deshalb wird die Schuldübernahme nur in Ausnahmefällen eine sonstige Leistung darstellen (Rz. 45).
Rz. 59
Die Übernahme von Schulden im Rahmen der Übertragung eines Versicherungsbestands in seiner Gesamtheit oder in einzelnen Zweigen mit seinen Rücklagen und Entgeltüberträgen (Prämienüberträgen) stellt keine Leistung im umsatzsteuerrechtlichen Sinn dar, sondern ist Entgeltsentrichtung. Bei einer Schuldüb...