Rz. 92a

Nach § 4 Nr. 25 S. 3 Buchst. d UStG sind steuerfrei auch Einrichtungen, die als Verfahrensbeistand nach den §§ 158, 167, 174 oder 191 FamFG [1] bestellt worden sind. Zusätzliche Voraussetzung der Steuerbefreiung ist, dass die Preise, die diese Einrichtungen verlangen, von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder die genehmigten Preise nicht übersteigen; bei Umsätzen, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der MwSt unterliegende gewerbliche Unternehmen für entsprechende Umsätze fordern. Auffällig ist, das mag ein Gesetzesversehen gewesen sein, dass § 4 Nr. 25 S. 3 Buchst. d UStG an dieser Stelle anders als die Formulierungen in § 4 Nr. 25 S. 3 Buchst. a bis c UStG nicht bestimmte Leistungen begünstigt, sondern bestimmte Einrichtungen als solche. Die Gesetzesformulierung enthält nicht einmal eine auf eine enge Auslegung gerichtete Formulierung wie z. B. "Leistungen aus der Tätigkeit als Verfahrensbeistand...", wie sie in vergleichbarer Form etwa in § 4 Nr. 11 UStG vorkommt. Das hieße, alle Tätigkeiten, die die Einrichtung ausführt, wären steuerfrei, also z. B. auch Warenverkäufe, wenn nur die weiteren Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind (wenn die Preise, die die Einrichtungen verlangen, von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder die genehmigten Preise nicht übersteigen; bei Umsätzen, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der MwSt unterliegende gewerbliche Unternehmen für entsprechende Umsätze fordern). Nach Sinn und Zweck der Regelung dürfte die Steuerbegünstigung allerdings so umfassend nicht sein. Nach der Gesetzesbegründung[2] sollen ab 1.1.2021 Einrichtungen, die als Verfahrensbeistand nach den §§ 158, 174 oder 191 FamFG (bzw. ab 1.4.2024 als Verfahrensbeistand nach § 167 FamFG) zur Wahrnehmung der Interessen minderjähriger Kinder in Kindschaftssachen, bei einer Unterbringung oder freiheitsentziehenden Maßnahmen, in Abstammungssachen oder in Adoptionssachen bestellt wurden, als begünstigte Einrichtungen anerkannt sein. Das bedeutet, die Steuerbefreiung beschränkt sich auf diese Interessenwahrnehmungen.

 

Rz. 92b

Mit der ab 1.1.2021 geltenden (und ab 1.4.2021 auf Leistungen von Verfahrensbeiständen nach § 167 FamFG erweiterten) Regelung ist der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung[3] den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung[4] gefolgt, wonach an der Tätigkeit eines Verfahrensbeistands in Kindschaftssachen aufgrund der hier vorliegenden besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern ein besonderes Gemeinwohlinteresse besteht. Die Pflege und Erziehung der Kinder und Jugendlichen obliege zwar primär den Eltern.[5] Verfolgten diese jedoch gegensätzliche Interessen, die mit denen ihrer Kinder in Konflikt geraten, müsse den Kindern die Möglichkeit eingeräumt werden, ihr eigenes Interesse in einer den Anforderungen des rechtlichen Gehörs[6] entsprechenden Eigenständigkeit im Verfahren geltend zu machen. Die Steuerbefreiung erfasst somit grundsätzlich die nach den §§ 158, 174 oder 191 FamFG erbrachten Beistandsleistungen sowohl von freiberuflich tätigen Rechtsanwälten, Pädagogen sowie Kinder- und Jugendpsychologen als auch von Mitarbeitern von Betreuungsvereinen, die vom Familiengericht zum Verfahrensbeistand bestellt wurden. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass die Preise, die diese Einrichtungen verlangen, von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder die genehmigten Preise nicht übersteigen. Bei Umsätzen, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der MwSt unterliegende gewerbliche Unternehmen für entsprechende Umsätze fordern.[7]

 

Rz. 92c

Der BFH[8] hatte entschieden, dass ein nach § 158 FamFG gerichtlich bestellter Verfahrensbeistand sich auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen kann. Der Verfahrensbeistand sei als soziale Einrichtung i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL anerkannt. § 158 Abs. 1 FamFG sei als "spezifische Vorschrift" i. S. d.EuGH-Rechtsprechung zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL anzusehen. Hinsichtlich des Verfahrensbeistands liege weder ein rechtsanwaltliches Mandatsverhältnis vor, noch handele es sich um eine anwaltsspezifische Tätigkeit. Für Verfahrensbeistände lägen behördlich genehmigte Preise i. S. d. Art. 133 MwStSystRL vor. Soweit sich aus Abschn. 4.25.2 UStAE (alt) ergeben sollte, dass für gerichtlich bestellte Verfahrensbeistände auch die Berufung auf die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ausgeschlossen werde, folgte der BFH dem nicht. Schließlich hat der BFH[9] entschieden, dass die nach den §§ 276, 317 FamFG gerichtlich bestellten Verfahrenspfleger für Betreuungs- und Unterbringungssachen sich auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen können. Der Qualifikation der vom Verfahrenspfleger erbrachten Leist...

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