Rz. 1179
Die EU-Kommission hatte dem Rat am 8.12.2022 insgesamt 3 Rechtsetzungsvorschläge zur Modernisierung der Mehrwertsteuer "im digitalen Zeitalter" (VAT in the Digital Age – ViDA) vorgelegt. Im Einzelnen handelt es sich hierbei um:
- Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf die Mehrwertsteuervorschriften für das digitale Zeitalter,
- Vorschlag für eine Durchführungsverordnung des Rates zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 hinsichtlich der Informationspflichten für bestimmte Mehrwertsteuerregelungen und
- Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 im Hinblick auf die für das digitale Zeitalter erforderlichen Vereinbarungen über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Mehrwertsteuer.
6.7.1 Hauptziele des Vorschlagspakets
Rz. 1180
Mit diesem Rechtsetzungspaket werden 3 Hauptziele verfolgt:
- Die Rechnungsstellungsverfahren sollen vereinfacht werden, indem auf eine allgemeine elektronische Rechnungsstellung umgestellt wird, und die Meldepflichten für Mehrwertsteuerzwecke sollen aktualisiert werden, indem die Informationen, die Steuerpflichtige zu jedem einzelnen Umsatz übermitteln müssen, standardisiert werden, was zur Bekämpfung des Steuerbetrugs beitragen würde (Teil "digitale Meldepflichten", Digital Reporting Requirements – DRRs),
- Die Herausforderungen, die sich durch die Plattformwirtschaft für traditionelle Sektoren im Hinblick auf gleiche Wettbewerbsbedingungen stellen, sollen angegangen werden, indem die Rolle von Plattformen, die Dienstleistungen der Kurzzeitvermietung von Unterkünften oder Dienstleistungen der Personenbeförderung unterstützen, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer gestärkt wird (Teil "Plattformwirtschaft"), und
- Die bisher notwendigen mehrfachen Mehrwertsteuerregistrierungen in den EU-Mitgliedstaaten sollen verringert werden, indem die Funktionsweise der bestehenden Regelungen der einzigen Anlaufstelle und der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft verbessert wird und diese Regelungen ausgeweitet werden (Teil "einzige Mehrwertsteuerregistrierung", Single VAT Regisatration – SVR).
6.7.2 Entwicklungen in den Ratsverhandlungen
Rz. 1181
Unter tschechischem, schwedischem, spanischem und belgischem Vorsitz hatten technische Beratungen zu den verschiedenen Teilen des Pakets stattgefunden, die zu einer weitgehenden Einigung über das Paket geführt hatten, mit Ausnahme einer zentralen Frage, nämlich der Regelung des "fiktiven Lieferers/Dienstleistungserbringers" für Dienstleistungen der Kurzzeitvermietung von Unterkünften und Dienstleistungen der Personenbeförderung im Straßenverkehr. Nach der Ratstagung im Mai 2024 hatte der belgische Vorsitz den Text geändert, um den Verwaltungsaufwand für Plattformen und zugrunde liegende Lieferer in jenen Mitgliedstaaten zu verringern, die die Möglichkeit nutzen, KMU von der Regelung des "fiktiven Lieferers/Dienstleistungserbringers" auszunehmen. In der Sitzung des ECOFIN-Rates im Juni 2024 wurde diese Lösung erneut von allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme eines unterstützt. Der ungarische Vorsitz hatte im Oktober 2024 in der zentralen Frage den Text geändert, indem er den Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit dem möglichen Ausschluss von KMU aus dem Anwendungsbereich der Regelung für "fiktive Lieferer und Dienstleistungserbringer" weiter verringert und den Geltungsbeginn der Regelung für "fiktive Lieferer/Dienstleistungserbringer" verschoben hatte. Über diesen Text und damit auch über die Änderungen der MwStSystRL hat der ECOFIN-Rat am 5.11.2024 eine allgemeine Ausrichtung erreicht. Damit ist aber noch keine formelle Annahme der Änderungen der MwStSystRL verbunden. Zu den Verordnungsvorschlägen hat der Rat eine politische Einigung erreicht, was ebenfalls noch keine förmliche Verabschiedung bedeutet.
6.7.3 Einführung digitaler Meldepflichten (Digital Reporting Requirements – DRRs)
Rz. 1182
Durch die DRRs wird im Zusammenhang mit der Bekämpfung des aus dem innergemeinschaftlichen Handel resultierenden Mehrwertsteuerbetrugs EU-weit ein transaktionsbezogenes Meldesystem eingeführt, das den EU-Mitgliedstaaten nahezu in Echtzeit Informationen liefern soll. Das System soll zugleich im Einklang mit den erfolgreichen Systemen einiger Mitgliedstaaten stehen, die zwischenzeitlich bereits Echtzeitmeldungen für inländische Umsätze eingeführt haben. In Bezug auf die fehlende Harmonisierung der inländischen Meldesysteme wird eine gemeinsame Struktur festgelegt, der diese Meldungen folgen müssen, sodass die Unternehmer immer Daten aus elektronischen Rechnungen melden können, die dem in der RL 2014/55/EU über die elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Beschaffungswesen festgelegten europäischen Standard entsprechen.
Rz. 1183
a) Verpflichtende Elektronische Rechnungsstellung ab 1.7.2030Die elektronische Rechnungsstellung wird ab 1.7.2030 die allgemeine Regel für die Ausstellung von Rechnungen. Dies drückt sich insbesondere in Änderungen der Art. 217, 218, 223, 232 und 236 MwStSystRL aus.
Art. 217 MwStSystRL erhält folgende Fassu...