Leitsatz
Bei einer krankheitsbedingten Kündigung sind im Rahmen der Interessenabwägung die Schwerbehinderung und die Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers von den Gerichten stets mitzuberücksichtigen.
Ein seit 1986 bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigter schwerbehinderter Arbeitnehmer wies seit 1990 erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten auf. Der Arbeitgeber kündigte deshalb am 3. 2. 1998 das Arbeitsverhältnis mit Zustimmung der Hauptfürsorgestelle. Das LAG hielt die Kündigung für wirksam und sah es hierbei als unerheblich an, dass der Arbeitnehmer schwerbehindert und gegenüber fünf Kindern unterhaltspflichtig war. Dem ist das BAG nicht gefolgt.
Je mehr Unterhaltspflichten den Arbeitnehmer treffen, um so höher ist seine soziale Schutzbedürftigkeit. Dies gilt gerade auch bei einer krankheitsbedingten Kündigung, die der Arbeitgeber allein auf bisher angelaufene und in Zukunft zu erwartende Entgeltfortzahlungskosten stützt. Bei der Prüfung, welches Maß an Entgeltfortzahlungskosten der Arbeitgeber billigerweise noch hinzunehmen hat, darf nicht völlig unberücksichtigt bleiben, wievielen Personen diese Entgeltfortzahlung zum Unterhalt dient. Auch die Schwerbehinderteneigenschaft des Arbeitnehmers ist im Rahmen der Nachprüfung einer ordentlichen Kündigung auf ihre soziale Rechtfertigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) einer der wesentlichen Umstände, die bei der Interessenabwägung zu beachten sind. Das Gericht kann aus denselben Gründen, die die Hauptfürsorgestelle nach §§ 15 ff. SchwbG zu prüfen hat, die Kündigung als sozialwidrig erachten und der Kündigungsschutzklage stattgeben. Dabei ist insbesondere an Gründe zu denken, die, wie dies bei einer krankheitsbedingten Kündigung häufig der Fall sein kann, im Zusammenhang mit der Behinderung stehen. Gleichwohl kann auch eine Berücksichtigung der Familienverhältnisse des Arbeitnehmers und seiner Schwerbehinderteneigenschaft im Rahmen der Interessenabwägung zu dem Ergebnis führen, dass der Arbeitgeber einen derartigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses nicht weiterhin billigerweise hinnehmen muss.
Link zur Entscheidung
BAG, Urteil vom 20.01.2000, 2 AZR 378/99
Praxishinweis: Schwerbehinderung und zahlreiche Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers sind bei einer krankheitsbedingten Kündigung im Rahmen der Interessenabwägung zu seinen Gunsten mitzuberücksichtigen, schließen aber eine Kündigung nicht aus.